Wohnungsbauziel nicht zu erreichen

Bundesbauministerin Geywitz erwartet nicht, dass die jĂ€hrlich 400.000 angepeilten Wohnungen in diesem Jahr realisiert werden können. Dabei verwies die Bauministerin auf verschlechterte Rahmenbedingungen durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. FĂŒr die Zukunft will die Ministerin allerdings an den 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr festhalten. Das Ziel sei, durch Vorfertigung und Digitalisierung 2024 und 2025 an diese Zahl heranzukommen.

In der Presse wird dieses EingestĂ€ndnis der Ampel-Koalition hĂ€ufig mit Bedauern kommentiert. So schlĂ€gt z. B. die SĂŒddeutsche Zeitung in einem Kommentar vom 24.1.2023 vor („das muss so nicht sein“), um das Ziel wenigstens in den nĂ€chsten Jahren zu erreichen, mĂŒssten unter anderem die Landesbauordnungen vereinfacht werden. Bisher spiele jedes Bundesland nach eigenen Regeln, was serielles Bauen (Errichten von Immobilien mit vorgefertigten Teilen) verhindere.

In diese Richtung geht auch ein Kommentar der FAZ („Wenn grĂŒnes Bauen zu teuer wird“ – vormals: Renaissance des Plattenbaus“, Autor: RĂŒdiger Soldt, Artikel nur kostenpflichtig erhĂ€ltlich), der die exorbitant gestiegenen Baukosten des Neubaustadtteils Dietenbach thematisiert. Auch fĂŒr Dietenbach lautet demnach die Forderung von Architekten und Stadtplanern: Einfacher bauen!

Völlig gegen den Strom hingegen argumentiert am 13.1.2023 der Autor Gerhard Matzig in der SĂŒddeutschen Zeitung. Er hĂ€lt die „Fata-Morgana-Zahl“ der 400.000 Wohnungen fĂŒr eine Illusion. Diese Zahl habe zwar in eine RegierungserklĂ€rung, aber nicht in die RealitĂ€t gefunden. Es sei an der Zeit, aus einer „das Elend verwaltenden Wohnungsbaupolitik der Verharrung“ eine kreative Wohnarchitektur und einen neuen Siedlungs- und StĂ€dtebau zu entwickeln. Es gehe um eine andere Ästhetik, eine andere Effizienz und eine andere Bodenpolitik. Weniger ParkplĂ€tze, weniger KaufhĂ€user, weniger Straßenraum und weniger BĂŒroburgen, stattdessen mĂŒssten die StĂ€dte grĂŒner und menschenfreundlicher werden. Und sie mĂŒssten dichter besiedelt werden. Seit 1972 hat sich der durchschnittliche Wohnraum in den StĂ€dten verdoppelt. Immer weniger Menschen leben in immer grĂ¶ĂŸeren RĂ€umen – auch dies eine Ursache der Wohnungsnot.

Bauen vom Fließband – keine schöne Aussicht fĂŒr unsere StĂ€dte (Foto: K. U. MĂŒller)

Auf die Idee der Bauministerin sowie offensichtlich einem Teil der Architektenschaft des seriellen und modularen Bauens, legt Gerhard Matzig in einem weiteren Kommentar vom 24.1.2023 nochmal nach. So sei es gut, dass die Bauministerin das irrationale Ziel der 400.000 Wohnungen pro Jahr kassiert hat, schlecht sei jedoch, dass sie sich nun Wohnungen vom Fließband wĂŒnscht. Dabei sei diese „einst aus dem Hut gezauberte Zahl von 400.000 Wohnungen nicht einmal mit dem von Geywitz womöglich in Panik hingekritzelten Horror-Rezept Plattenbau digital“ zu verwirklichen. DarĂŒber hinaus sei erstaunlich, dass sich Menschen immer wieder neu auf alte Ideen besinnen, die noch nie funktioniert haben. So habe selbst Gropius mit seinem Baukastensystem im Exil in den USA zurecht schnell pleitegemacht.

Freiburg Lebenswert hat immer wieder VorschlĂ€ge unterbreitet, wie dem Wohnungsmangel ohne ausufernden Neubau begegnet werden kann und schließt sich der Bewertung von Gerhard Matzig vollumfĂ€nglich an. Auch haben wir immer wieder auf den völlig ĂŒberhöhten Wohnraumbedarf aufmerksam gemacht. Dichte in den StĂ€dten muss in keiner Weise ein QualitĂ€tsmangel sein. So ist z. B. der StĂŒhlinger im alten Teil östlich der Eschholzstraße sehr dicht besiedelt, bietet aber eine hohe AttraktivitĂ€t.

Gerhard Matzig schließt seinen vortrefflichen Kommentar mit dem Appell: „Baut bitte Wohnungen, die sich nicht die Bauindustrie, sondern Planerinnen und Architekten ausgedacht haben. Die nicht fĂŒr den Markt, sondern fĂŒr Menschen erfunden werden
 Nutzt den Leerstand in den InnenstĂ€dten, lasst dort Menschen und nicht Starbucks-Filialen wohnen. Baut mal etwas Zukunft.“ Wie sehr diese Forderung auch Freiburg gutgetan hĂ€tte, zeigen die völlig uninspirierten, von BautrĂ€gern geplanten, Quartiere Gutleutmatten und GĂŒterbahnhof. Völlig anders hingegen der Stadtteil Vauban, welcher eben nicht von BautrĂ€gern geplant wurde.

Wer Zukunft will, muss lebenswerte Quartiere schaffen, eine Neuauflage des Plattenbaus ist unbedingt zu verhindern!

Gutleutmatten – ein völlig uninspiriertes Wohnquartier (Foto: K. U. MĂŒller)
Ganz anders Vauban. Nicht von BautrĂ€gern geplant. So kann StĂ€dtbau gehen. Wenn man nur will (Foto: K. U. MĂŒller)