Reden zu Stühlinger West

Zu Stühlinger West (Drucksache G-21/164) hat Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) am 26. Oktober 2021 im Freiburger Gemeinderat folgende Reden gehalten:

Zur Bebauung und zur Verkehrsplanung:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!

Mit dem Baugebiet Stühlinger West geht wieder mal eine Kleingarten-Idylle zu Ende. Vielen Kleingärtnern wird ihr grünes Sommer-Wohnzimmer zerstört. Dies betrifft besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund, von denen die meisten ein sehr inniges Verhältnis zu einem Garten haben und den Verlust somit intensiv erleiden. Es ist für mich immer wieder ein unverständlicher Widerspruch, dass sich auf der einen Seite viele hier im Gemeinderat erfreulicherweise für Flüchtlinge engagieren. Aber wenn diese dann anfangen, sich hier ihre kleine Existenz aufzubauen, wozu für viele eben auch die Bewirtschaftung eines Garten gehört, dann haben dieselben Stadträte überhaupt kein Problem damit, die Interessen dieser Menschen zu negieren, wenn es einem vermeintlich besseren Ziel entgegensteht, nämlich Freiburg wachsen oder treffender krankhaft wuchern zu lassen. Diese verquere Logik kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Aber, meine Damen und Herren, das müssen Sie mit Ihrem Gewissen ausmachen.

Jetzt zu dem Neubauvorhaben: Beim Energiekonzept besteht noch erheblicher Abstimmungsbedarf mit Energieexperten und den Projekt -Initiativen von Klein-Eschholz – daher meine Absetzungsforderung dieses Punktes (siehe folgende Rede). Die sonstige Planung hat, was die Gebäude und Freiflächenplanung betrifft, prinzipiell die Zustimmung von Freiburg Lebenswert. Bis auf eine Ausnahme: Es ist erklärtes und längst überfälliges Ziel des Gemeinderates, den privaten motorisierten Verkehr zurückzudrängen, auch um Wohngebiete von Lärm und Autos zu entlasten. Nun ist aber geplant die bisher städtebaulich recht gut angelegte Sundgauallee – wohlgemerkt eine Durchgangsstraße, wenn auch mit relativ geringem Verkehrsaufkommen – durch zwei nahezu rechtwinklige Kurven in dieses neue Wohngebiet hinein und auch wieder hinauszuführen. Statt wie bisher die Sundgauallee auf der bisherigen Diagonale, der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks, an dem Wohngebiet vorbeizuführen, wird der Verkehr nun auf den beiden Katheten dieses Dreiecks mitten durch das Wohngebiet geführt. Das ist nur noch grotesk zu nennen! Ziel muss es doch sein, Verkehre möglichst gerade und zeitsparend zu führen. Offensichtlich sollen mit einer solchen S-Schikane mitten durch ein Wohngebiet Autofahrer zum Umstieg auf andere Verkehrsmittel animiert werden. Und das unter Inkaufnahme erhöhten Schadstoffausstoßes zum einen beim Bremsen und Beschleunigen in den beiden Kurven und zum andern durch die längere Fahrstrecke, durch den Eintrag erhöhter Lärmimmissionen in das Wohnquartier und durch erhöhte Verkehrsgefährdung der Anwohner. Die Autos fahren direkt am Quartiersplatz vorbei, der doch Aufenthaltsqualität bekommen soll. Aufenthaltsqualität mit durchfahrenden Autos? Meine Damen und Herren, das ist Denken der 1960er Jahre! Mit einer solchen hanebüchenen Verkehrsplanung könnte Freiburg es locker in die Satire-Sendung „extra 3 Spezial“ als Schildbürgerstreich des Jahres schaffen. Herr Verkehrsbürgermeister, wenn Sie nicht schon sitzen würden, würde ich aus meiner Schulzeit den geflügelten und von uns Gymnasiasten gefürchteten Lehrerausruf verwenden: „Setzen! Sechs!“.

Tut mir Leid, aber einer solchen Verkehrsplanung kann ich nicht zustimmen. Ich werde die Vorlage ablehnen!

Stühlinger West Absetzungsantrag:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!

Von den Projekt-Initiativen Kleineschholz werden zu recht verschiedene Punkte zum Energiekonzept als noch nicht entscheidungsfähig bezeichnet. Die Weltwetterorganisation (WMO) hat erst gestern alarmierende Zahlen genannt. Trotz Corona-Pandemie stieg die CO2-Konzentration 2020 um 2,5 ppm auf nun 413,2 ppm und liegt damit um erschreckende 49 % über dem vorindustriellen Niveau. Es muss dringend gehandelt werden. Neue Wohnquartiere oder gar Stadtteile mit Effizienzhausstandard 55 zu planen ist nicht mehr akzeptabel. Wenn schon mit diesen Quartieren riesige Naturflächen versiegelt werden, dann ist mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Klimaforscher Passivhaus- oder Plusenergiestandard ein absolutes Muss!

Mit dem weltweiten Temperaturanstieg verschiebt sich auch das Hauptaugenmerk immer mehr von der winterlichen Heizung weg hin zur sommerlichen Kühlung. Wie den Projekt-Initiativen ist auch mir völlig unklar, wie Sie die sommerliche Kühlung ermöglichen wollen. Ebenso kann ich wie diese die Präferenz der Vorlage für eine zentrale Lösung zum Nachteil dezentraler Lösungen, die über ein Quartiers-Leitungsnetz verbunden werden könnten, zunächst mal nicht nachvollziehen, wenngleich eine solche Lösung wegen der geringen Größe des Quartiers weniger nachteilige Auswirkungen hätte wie in Dietenbach.

Bevor gemäß Ziffer 3 der Vorlage ein Wärmeliefer-Contracting EU-weit ausgeschrieben wird, müssen solche Randbedingungen unbedingt vorher geklärt sein. Wenn schon die Projekt-Initiativen von sich aus höhere Energiestandards fordern, dann sollte man dieses Angebot doch erfreut wahrnehmen. Ich beantrage Ziffer 3 der Beschlussvorlage abzusetzen und sich vor der Ausschreibung mit lokalen Energieexperten an einen Tisch zu setzen und bezüglich der Kritikpunkte einvernehmliche Lösungen zu erarbeiten.