Zu Ruhewald (Drucksache G-22/017) hat Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) am 1. Februar 2022 im Freiburger Gemeinderat folgende Rede gehalten:
Sehr geehrter Herr OberbĂŒrgermeister,
meine sehr geehrte Damen und Herren!
Freiburg Lebenswert unterstĂŒtzt grundsĂ€tzlich die Einrichtung eines Ruhewaldes. Aber dass die Eichhalde in Herdern wegen ihrer vorgeblich guten Eignung in die engere Auswahl gekommen ist, irritiert alle von mir kontaktierten Herdermer Institutionen und Herdermer BĂŒrger. Insbesondere die in der Vorlage vorgenommene Punktevergabe fĂŒr bestimmte Auswahlkriterien wurde durchgĂ€ngig mit UnverstĂ€ndnis quittiert.
Ich will nochmals die örtlichen Gegebenheiten darstellen. Die nĂ€chstgelegene Bushaltestelle befindet sich am Herdermer Kirchplatz. Von dort bis zum Ruhewald wĂ€re auf direktem Weg ca. 1 km zurĂŒckzulegen mit einem Höhenunterschied von rund 100 m, also 10 m Höhendifferenz pro 100 m Weg. WĂŒrde man eine etwas weniger steile Wegstrecke wĂ€hlen, können es auch bis zu 2 km GesamtlĂ€nge sein. Das fĂŒr den Ruhewald ins Auge gefasste Gebiet unterhalb und oberhalb des Verbindungsweges zwischen Hotel Mercure und Krottenweiher hat in sich nochmals eine Höhendifferenz von rund 50 m. Wenn nun die Anbindung an den ĂPNV und die Begehbarkeit durch eine angeblich geringe Hangneigung als vertretbar bzw. geeignet beschrieben wird, so kann diese EinschĂ€tzung nur von jemandem mit sehr guter körperlicher Konstitution getroffen worden sein. Die meisten Friedhofbesucher dĂŒrften diese gute körperliche Verfassung eher nicht aufweisen.
Zu den Nutzungskonflikten: An den Ruhewald grenzt das Panorama-Hotel Mercure mit Restaurant, dessen GĂ€ste die dortigen Spazierwege nutzen. Das Gleiche gilt fĂŒr die betreuten Kinder und Jugendlichen vom ebenfalls angrenzenden Haus Tobias, die mit ihren Betreuern die Wege fĂŒr AusflĂŒge nutzen. Es gibt dort weiter eine Wald-Kita und Waldkindergruppen. Unmittelbar neben dem GelĂ€nde ist ein gut frequentierter Grillplatz, der zumindest in der warmen Jahreszeit auch keine andĂ€chtige Ruhe aufkommen lassen dĂŒrfte. Hinzu kommen unzĂ€hlige SpaziergĂ€nger, Familien mit Kindern, Mountainbiker, Jogger, Gassigeher, von denen viele ĂŒbrigens mit dem Auto hochfahren, weil ihnen die Wegstrecke aus Herdern zu steil ist. Diesen Bereich daher wegen des angeblich geringen Nutzungsdrucks als geeignet bzw. ideal darzustellen, hat in Herdern nur KopfschĂŒtteln hervorgerufen. So Ă€uĂert beispielsweise der Schulleiter vom Haus Tobias, Olaf Nielsen, dass ein Ruhewald in diesem hoch frequentierten Bereich im Hinblick auf die Andacht und Besinnung suchenden Hinterbliebenen schwer vorstellbar ist.
Der dritte Kritikpunkt ist die angebliche Eignung wegen der vielen Parkmöglichkeiten. Der Waldparkplatz an der Grillstelle mit seinen rund 10 PlĂ€tzen ist meist gut belegt und fĂŒhrt immer wieder zu Konflikten zwischen Autofahrern einerseits und SpaziergĂ€ngern und Radfahrern andererseits. Bleiben die ParkplĂ€tze direkt beim Mercure und auf dem Platz des ehemaligen JĂ€gerhĂ€usles. Laut Mercure-Betreiber Eric Lassiaille benötigen allein seine momentan 136 Mitarbeiter ca. 40 ParkplĂ€tze. Hinzu kommen seine GĂ€ste, die nahezu alle mit dem Auto anreisen. Bereits heute konkurrieren seine Mitarbeiter und GĂ€ste mit Waldnutzern wie Joggern und SpaziergĂ€ngern um die zu wenigen ParkplĂ€tze. Er lehnt einen Friedhof nicht ab, macht sich aber Sorgen, wenn jetzt noch parkplatzsuchende Friedhofsbesucher dazukommen. Der Vorstand des BĂŒrgerverein Herdern lehnt dagegen einen dortigen Ruhewald ab. Die meisten Befragten halten es fĂŒr absurd, bei dieser Topografie und dem dortigen Nutzungsdruck einen Ruhewald anzulegen. âRealitĂ€tsfernâ war noch einer der gemĂ€Ăigten AusdrĂŒcke.
Meine Damen und Herren, ein Friedhof in einem Wald hat naturgegeben einige Nachteile. Aber was ich kritisiere, ist, dass die örtlichen Gegebenheiten – zumindest die der Eichhalde – in der Vorlage durch die Punktevergabe völlig lebensfremd und beschönigend wiedergegeben werden, um Zustimmung zu einem Standort zu erhalten. Mit solchen offensichtlichen Falschbewertungen verĂ€rgert man nur die Betroffenen und erntet schroffe Ablehnung. Aus meiner Sicht wĂ€re es besser gewesen, mit den Betroffenen im Vorfeld zu reden. Nutzen Sie dringend die Zeit, solange der PrĂŒfauftrag [wonach nicht die Stadt selbst den Ruhewald betreiben, sondern die Vergabe an einen kommerziellen Betreiber von BestattungswĂ€ldern geprĂŒft werden soll] bearbeitet wird und holen Sie dies nach!