Zum Thema Digitalisierungsstrategie (G-19/219 und 219.1) hat unser Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) am 10. Dezember 2019 im Freiburger Gemeinderat (zu TOP 2) folgende Rede gehalten:
Sehr geehrter
Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!
Bei allen Vorzügen, die die Digitalisierung in vielen Bereichen aufweist, vermisse ich doch bei Vielen eine kritische Distanz zu diesen neuen Technologien, die massive gesellschaftliche Veränderungen nach sich ziehen werden und das mit Sicherheit nicht immer zum Vorteil.
Meine Damen und Herren, die Digitalisierung ist für einen rapide wachsenden Anteil der weltweiten Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich. Digitaltechnologien, die für Information und Kommunikation zum Einsatz kommen, verursachen mittlerweile etwa 4 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Je nach Szenario könnte der Digital-Anteil an den weltweiten Emissionen bis 2025 auf mehr als 8 % steigen, was höher wäre als der aktuelle CO2-Anteil aller Kraftfahrzeuge. (s. Shift Project).
Der erhebliche Fußabdruck der Digitaltechnologien wird von ihren Nutzern stark unterschätzt. Das liegt an der Miniaturisierung der Geräte wie Smartphones und der Unsichtbarkeit der verwendeten Infrastrukturen. Aber es muss ja nicht nur der – zugegeben meist geringe – Stromverbrauch der Geräte berücksichtigt werden, sondern auch der bei ihrer Produktion, und der Ressourcenbedarf an beispielsweise seltenen Erden. Hinzu kommt vor allem noch der Energiebedarf für die Netzwerke und Datenzentren zur Speicherung und Auslieferung der Inhalte. Schließlich muss noch der Aufwand für die Entsorgung all dieser Geräte nach dem Ende ihrer Nutzungsdauer eingerechnet werden. Insgesamt widersprechen wissenschaftliche Studien der verbreiteten Annahme, die offensichtlich auch dieser Vorlage zugrunde liegt, dass die zunehmende globale Digitalisierung des Lebens auf irgendeine Weise gut für die Umwelt bzw. die globale Energiebilanz sei, weil angeblich weniger physische Güter produziert und konsumiert werden oder Wege eingespart werden könnten.
Ich warne auch davor, mögliche Gefahren durch die Strahlenbelastung bei der kabellosen Datenübertragung wie 5G zu verharmlosen oder gar zu negieren. Es gab schon viele menschliche scheinbare Errungenschaften, bei denen die Vorzüge in schillerndsten Farben geschildert und die teilweise offensichtlichen Nachteile ignoriert wurden. Wir müssen heute mühsam die damit einher gegangenen Nachteile wieder korrigieren. Seien es die vor ca. 200 Jahren in Mode gekommenen Flussregulierungen, die ohne Rücksicht auf massive ökologische Nachteile durchgeführt wurden. Sei es die Verbrennung der fossilen Rohstoffe ohne Rücksicht auf den CO2-Anstieg. Sei es der massive Ausbau der motorisierten Mobilität mit der daraus folgenden Zerschneidung der Landschaften und Städte durch Straßen. Sei es die Nutzung der Kernenergie ohne einen Plan für die Endlagerung der strahlenden Abfälle. Sei es der Gebrauch von Plastik für alle Lebensbereiche ohne die Nichtabbaubarkeit der Produkte zu bedenken.
Und nun immer mehr Strahlenbelastung durch flächendeckenden Mobilfunk. Möglicherweise ist die Strahlenbelastung für die meisten Menschen unkritisch. Aber wir Menschen sind große Lebewesen, denen 5G-Strahlung deswegen vielleicht nichts anhaben kann, weil sie nicht viel weiter als in die oberen Hautschichten eindringen kann. Aber was ist mit den vielen kleinen Tieren oder Pflanzen, deren Körper aufgrund ihrer geringen Dimensionen von den Strahlen weitgehend oder gar vollständig durchdrungen werden können und so mit den Wellenlängen der Strahlung interagieren können? Können wir negative Entwicklungen wirklich ausschließen, nach all den negativen Erfahrungen, die die Menschheit mit ihren scheinbar segensreichen Entwicklungen machen musste? Als Physiker bin ich sicher nicht technikfeindlich. Aber ich sehe eben auch die massiven Nachteile wie die psychosozialen Auswirkungen auf die Nutzer, Big-Brother-Tendenzen durch lückenlose Überwachung der Nutzer in totalitären Staaten und durch große Konzerne, den enormen Energie- und Ressourcen-Verbrauch und eben auch die völlig unklaren Auswirkungen der Strahlung auf die vielfältigen Arten in Fauna und Flora – und eventuell eben auch auf den Menschen. Digitalisierung ja, aber wir dürfen nicht wieder dieselben Fehler machen wie bei vielen anderen menschlichen Entwicklungen, die sich im Nachhinein oftmals mehr als Fluch denn als Segen erwiesen haben. Wir werden die Vorlage nicht ablehnen, aber wir erwarten zumindest hier in Freiburg einen verantwortungsvollen Umgang mit der Digitalisierung statt euphorischer Sorglosigkeit.
Grundsätzliche Anmerkung: Reden unserer Stadträte im Gemeinderat geben nicht zwangsläufig immer und in allen Aussagen Beschlüsse von Freiburg Lebenswert (FL) wider, da ja bei der Arbeit im Gemeinderat auch kurzfristig auf aktuelle Themen reagiert und eingegangen werden muss. Zum Thema Digitalisierung hat FL sich noch kein abschließendes Urteil gebildet. Unter den Mitgliedern gibt es dazu unterschiedliche Positionen und Bewertungen.