Zu den Themen Klima- und Artenschutzmanifest (G-19/216) und Klimaschutzkonzept (G-19/212) hat unser Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) am 10. Dezember 2019 im Freiburger Gemeinderat (zu den TOPs 7 und 8) folgende Rede gehalten:
Sehr geehrter
Herr OberbĂŒrgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
Im Freiburger Nachhaltigkeitsbericht von 2014 steht unter dem Politikfeld 5 mit dem Titel âStadtplanung und Stadtentwicklungâ als erste Forderung folgendes: âSchrittweise Reduzierung des FlĂ€chenverbrauchs im AuĂenbereich gegen Nullâ. Gegen Null â ohne Wenn und Aber! Seltsamerweise steht davon in den folgenden Berichten spĂ€terer Jahre wie z.B. dem von 2018 nichts mehr. Da sind dann unter der derselben Ziffer nur noch unverbindliche WorthĂŒlsen wie âflĂ€chensparende Entwicklungâ oder âeffektive FlĂ€chenausnutzungâ zu finden.
Da hatte man sich wohl 2014 zu weit aus dem Fenster gelehnt und in den folgenden Jahre dann erschreckt festgestellt, dass man ja noch die ZĂ€hringer Höhe, Zinklern, Dietenbach usw. bebauen will. Die im Sinne des Klima- und Artenschutzes wichtige und dringende Forderung eines FlĂ€chenverbrauchs von Null im AuĂenbereich wĂŒrde ja der geplanten massiven Ausweisung von BauflĂ€chen diametral entgegenstehen. Also weg mit dieser lĂ€stigen Forderung nach null FlĂ€chenverbrauch!
Auch unter dem Politikfeld 11 âKlima und Energieâ steht im Bericht von 2014 klar das Ziel âNutzung aller Potentiale fĂŒr erneuerbare Energienâ. Im Bericht 2018 steht dazu nur noch das unverbindliche âwir verpflichten uns, der Verantwortung fĂŒr Klimaschutz, Energieeinsparung und der nachhaltigen Energieerzeugung nachzukommenâ. Der Verantwortung nachzukommen? Was soll denn dieses ânachzukommenâ in seiner Unbestimmtheit bedeuten? Ăbernehmen wir nun die Verantwortung fĂŒr unser Tun oder nicht? Wollen wir nun alle Potentiale – und die Betonung liegt auf alle â nutzen oder nicht? Auch hier ist wohl eher Taktieren und Verhindern denn Aufbruch das erklĂ€rte neue Ziel.
Beispiel SC-Stadion: Mein Vorschlag, auf ein herkömmliches teures TribĂŒnendach zu verzichten und stattdessen ein reines Solardach zu installieren, wurde von allen EntscheidungstrĂ€gern einhellig abgelehnt. Nicht so in Schaffhausen (Man braucht also gar nicht bis Antalya schauen). Dort hat man genau diesen Vorschlag eines Solardachs auf dem dortigen FuĂballstadion umgesetzt. FĂŒr das 8200 Zuschauer fassende Stadion hat dessen Dach eine 1,4 MWp-Anlage bekommen, die jĂ€hrlich ca. 1,3 Mio. kWh Energie liefert. Das ist 50 % mehr als fĂŒr den Gesamtenergiebedarf des Stadions fĂŒr ElektrizitĂ€t, Warmwasser und Heizung – inklusive des integrierten Einkaufs- und Gewerbezentrums – benötigt wird. Sie können sich nun ĂŒberlegen, was das fĂŒr das 4- bis 5-mal so groĂe SC-Stadion bedeutet hĂ€tte. 3 – 4 MWp wĂ€ren als untere Grenze möglich gewesen. Allein mit diesen 3 – 4 MWp hĂ€tte die Anlage so viel Nenn-Leistung gehabt wie zwei der Windkraftanlagen auf dem RoĂkopf und hĂ€tte mindestens 3 Mio. kWh Energie pro Jahr geliefert. Nun feiert man sich in Freiburg, dass die – nach langem Zögern – nun doch geplante gröĂere Photovoltaik-Aufdachanlage auf dem Stadiondach wenigstens 1,5 MWp haben soll und die SC-Arena dann klimaneutral sein wird. Ăber so viel ZurĂŒckhaltung und BedenkentrĂ€gerei bei gleichzeitigem gegenseitigem Schulterklopfen in Freiburg wird man in Schaffhausen sicher allenfalls mĂŒde lĂ€cheln.
Meine Damen und Herren, wenn wir weiterhin die ökologischen Ziele und Forderungen verwĂ€ssern, bis sie uns in den Kram passen, und wir durch unsere Unentschlossenheit und ZurĂŒckhaltung – insbesondere bei der Energiegewinnung – wertvolle Zeit verplempern und Machbares verhindern, dann werden wir die KlimaneutralitĂ€t nie erreichen. Da können wir so viele Manifeste verabschieden wie wir wollen. Wenn, wie in der Vorlage beschworen, bei allen politischen Entscheidungen des Gemeinderates der Klima- und Artenschutz vorrangig BerĂŒcksichtigung finden soll, dann mĂŒssten wir beispielsweise sofort alle Bauvorhaben im AuĂenbereich stoppen. Allein die AufschĂŒttungen fĂŒr Dietenbach und fĂŒr die beiden zusĂ€tzlich notwendigen RegenrĂŒckhaltebecken, die zigtausende von LKW-Fahrten verursachen werden, werden alle unsere BemĂŒhungen nach KlimaneutralitĂ€t zunichtemachen. Und wie die UmweltverbĂ€nde in Ihrem Zusatz-Antrag zu diesem Manifest vor wenigen Tagen kritisch feststellen:
Zitat: âEin Klimaschutzplan muss in Anbetracht der Lage wesentlich progressiver sein. Die Sicherung der Lebensgrundlagen heutiger und zukĂŒnftiger Generationen hat in Zukunft bei allen Entscheidungen der Stadt prioritĂ€r zu sein. KlimaneutralitĂ€t ist in allen Bereichen, auf die die kommunale Gestaltungshoheit zugreifen kann, bis 2035 zu erreichen. Klima- und Artenschutz sind im Kern eine Gerechtigkeitsfrage und kein Ziel unter vielen!â Zitatende. Dem ist von mir nichts hinzuzufĂŒgen!