Zwei langjährige ehrenamtliche, vom Gemeinderat bestellte Naturschutzbeauftragten der Stadt Freiburg, haben sich zu Wort gemeldet und ihre sonst geübte Zurückhaltung aufgegeben, weil sie bezüglich Dietenbach eine „deutlichen Schieflage“ und „Seilschaften“ in der Stadt beobachtet haben. Es ist sogar von „Gleichschaltung bei Wortmeldungen, Berichterstattung, Wahlkampf“ und von einem „erheblichen Ungleichgewicht (…) bei der Interessen- und Meinungsvertretung von Pro und Contra der Dietenbach-Bebauung“ die Rede.
So deutlich und offen hat das bisher noch niemand öffentlich zum Ausdruck gebracht. Wir möchten deshalb hier den gesamten Brief der beiden Naturschutzbeauftragten veröffentlichen:
„Abweichend von unserer (gewünschten und gebotenen) Zurückhaltung bei öffentlichen Wortmeldungen als Naturschutzbeauftragte, haben wir uns dazu entschlossen, zum Bürgerentscheid Dietenbach einen Leserbrief an die Badische Zeitung zu schreiben, den diese bisher (natürlich?) nicht veröffentlicht hat.
Anlass dazu gibt unser Eindruck einer deutlichen „Schieflage“, a) fast Gleichschaltung bei Wortmeldungen, Berichterstattung, Wahlkampf etc. sowie b) erhebliches Ungleichgewicht bei den Kapazitäten, finanziell, personell und organisatorisch, bei der Interessen- und Meinungsvertretung von Pro und Contra der Dietenbach-Bebauung. Bemerkenswert ist dabei auch, wer sich nun alles zu solchen Themen äußert und in welchen einzigartigen „Seilschaften“.
Allerdings konnten wir in den letzten Tagen auch zunehmend feststellen, dass wir bei weitem nicht so alleine da stehen, wie uns 43 Stadträte und eine überwältigende Mehrheit von Plakaten (Propaganda) gerne glauben machen würden.
Schließlich geschieht zurzeit genau das, wovon wir wegkommen müssen, nämlich dass Sozial, Ökonomisch und Ökologisch gegeneinander ausgespielt werden, insbesondere Ersteres gegen Letzteres. Die Einschränkung des Flächenverbrauchs wird zur sozialen Frage gemacht, ja zur grundsätzlichen Zukunftsfrage für die Stadt Freiburg. Sind diejenigen, die Bedenken gegen diese Art der Bebauung haben, tatsächlich asozial, familienfeindlich, für unbezahlbare Wohnungen, gegen Nachhaltigkeit und gegen Inklusion, wie (im Umkehrschluss) propagiert und suggeriert wird?“
gez. Thomas Ludemann
„Am 30.1.2019 bei der Badischen Zeitung eingereichter Leserbrief von zwei Naturschutzbeauftragten der Stadt Freiburg. Bezug des Leserbriefes: Diverse Beiträge zum Bürgerentscheid Dietenbach der letzten Zeit, dazu der folgende Leserbrief mit Gesichtspunkten von zwei langjährigen, ehrenamtlichen, vom Gemeinderat bestellten Naturschutzbeauftragten und als Wortmeldung für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen auf kommunaler und regionaler Ebene, unserer ureigenen, gesetzlichen Aufgabe.
Text des Leserbriefes:
Nie war ein „Nein“ so wenig grün! Bevor die letzten, großen, wertvollen Landwirtschafts- und Offenland-Flächen der Stadt in der Ebene-– angeblich (Wohnungs-)Not-wendig und alternativlos – vernichtet werden, sollten Alternativen endlich ernsthaft verfolgt werden:
(1) Sind die bisherigen Bebauungspläne, insbesondere der Gewerbegebiete und des neuen Stadions wirklich konsequent flächensparend? Hier ließe sich zum Beispiel auf einfachste Weise fast 80 % des Flächenverbrauchs einsparen, wenn man ein fünfstöckiges Parkhaus baut – statt ebenerdig. Die Pharmas in Basel machen es uns vor!
(2) Wäre es nicht vielleicht sogar gut, auch den Umlandgemeinden oder sogar anderen Regionen einen Teil des Bevölkerungszuwachses zu „gönnen“, anstatt dies gemäß „Kirchturmpolitik“ als (Bevölkerungs-)Verlust zu beklagen? Auch dort und nicht nur in Freiburg können Bauvorschriften zum geringeren Flächenverbrauch erlassen und gute Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden.
(3) Gibt es nicht doch einen verträglichen, erfolgversprechenden Plan B, in dem man viele kleine Baumaßnahmen nicht nur in den Quartieren, sondern vor allem auch auf fehl- oder untergenutzten Flächen erzeugt?
(4) Müsste nicht eine nachhaltige Gesellschaft auch auf kommunaler Ebene die Sicherstellung landwirtschaftlicher Produktions- und Versorgungsmöglichkeiten so weit wie möglich auf der eigenen Fläche anstreben? So wie es nur eine Erde gibt, so hat auch die Stadt Freiburg nur eine Gemarkungsfläche.
(5) Wäre es (wohnungs)notfalls nicht ein geringerer Verlust, einen relativ kleinen Teil des riesigen Bergwaldes zu opfern, anstatt letzte, große Landwirtschafts- und Offenland-Fläche in der Ebene?
(6) Gibt es durch die verstärkte und weiter zunehmende Verstädterung (Urbanisierung) nicht mehr Probleme als Lösungen – regional bis global?
Nie war ein „Ja“ so Zukunft für eine – sozial, ökonomisch und ökologisch – nachhaltige Stadt Freiburg.“
Dr. Dagmar Reduth und Dr. Thomas Ludemann,
Naturschutzbeauftragte der Stadt Freiburg