Am 14.11.2017 stand im Gemeinderat auch der Tagesordungspunkt „Managementplan Natura 2000 (Mooswälder bei Freiburg)“ auf der Agenda. Dazu hat unser Stadtrat und Fraktionsvorsitzender Dr. Wolf-Dieter Winkler für die Fraktion Freiburg Lebenswert / Für Freiburg (FL/FF) folgende Rede gehalten. Im Ortschaftsrat Waltershofen wurde von einigen Ortschaftsräten kurz darauf übrigens dieselbe Kritik an der städtischen Vorlage vorgebracht.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
diese 15seitige Stellungnahme der städtischen Naturschützer zu dem 227seitigen Entwurf des Managementplans des Regierungspräsidiums ist ein interessanter Diskurs. Das RP hat viel Zeit aufgewendet, um den Zustand von Flora und Fauna der Freiburger Mooswälder zu beschreiben und Erhaltungsmaßnahmen vorzuschlagen. Genauso hat sich aber auch das städtische Umweltschutzamt sehr intensiv mit den Ausführungen des RP beschäftigt, um seinerseits in bestimmten Bereichen andere Bewertungen vorzunehmen und konstruktive Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Dabei wurde sichtbar, dass es selbst bei diesen regional beschränkten Waldbereichen eine solche Fülle an Daten zu Fauna und Flora gibt, dass wir hier nur einen verschwindend kleinen Teil präsentiert bekommen können. Und es ist klar, dass selbst diese Datenflut nur sehr oberflächlich das Leben in den Mooswäldern streifen kann. Die 15seitige Replik der Stadt zeigt aber auch, dass selbst diese „oberflächlichen“ Beschreibungen der natürlichen Zusammenhänge durch die verschiedenen wissenschaftlichen Mitarbeiter nicht immer eindeutig sind. Sie können unterschiedlichen Natur-Beobachtungen der jeweiligen Personen zugrunde liegen, unterschiedliche Schlussfolgerungen nach sich ziehen und auch in unterschiedliche Handlungsempfehlungen münden. Insbesondere Prognosen, wie sich beispielsweise das Eschentriebsterben oder der Klimawandel auf die komplexen Ökosysteme auswirken werden, lassen viel Raum für Interpretationen. Der seitenlange Diskurs beider Ausarbeitungen ist für den Leser, so er sich denn etwas intensiver mit der Materie beschäftigen möchte, interessant, macht ihn aber natürlich auch unsicher, welcher Darstellung bzw. Einschätzung er als Laie im Zweifelsfall den Vorzug geben soll.
So wird vom RP beispielsweise gefordert, die Gewässerunterhaltung aus ökologischen Gründen beim Neunaugenbach oder dem Mühlebach zu verringern. Dem entgegnet die Stadt, dass es bei einer Verringerung der Gewässerunterhaltung zu Überflutungen kommen kann, beim Mühlebach vor allem durch Substrat- und Bodeneintrag vom Tuniberg. Und das Umweltschutzamt hält auch aus ökologischen Gründen eine gelegentliche Sohlräumung für sinnvoll. Welcher Einschätzung soll man nun da den Vorzug geben?
Durch die doppelte Draufsicht von RP und Stadt auf die natürlichen Zusammenhänge werden aber auch ganz klar Verbesserungen aufgezeigt bzw. fehlende Sachverhalte beschrieben. So bemängelt das Umweltschutzamt zu Recht, dass das RP die Schäden durch Wildschweine oder das Aufkommen von Neophyten zwar beschreibt, aber keinerlei Vorschläge unterbreitet, wie dem beizukommen ist. Hier wird das RP folgerichtig zur Ausarbeitung von Maßnahmen aufgefordert. Zustimmung gibt es bei uns beispielsweise auch für den Hinweis der Stadt, dass es besser ist die Population einer Art weiter zu entwickeln, statt nur zu erhalten. Entwickeln bedeutet ja eine Verbesserung des Erhaltungszustandes oder Vergrößerung der Fläche eines Artvorkommens.
Bemerkenswert aber ist, dass sich die städtische Stellungnahme ausführlich an dem Thema Dietenbach reibt und vehement sämtliche Ausführungen des RP dazu für unzutreffend oder sachfremd erklärt. So wird der vom RP gemachte Vorschlag, dass neben anderen Gebiete auch in der Dietenbachniederung Kiebitz-Fenster vorgesehen werden sollten, von der Stadt wortreich und in fast scharfer Wortwahl abgelehnt. Des weiteren wird die Aussage des RP, dass die Weißstörche des Mundenhofs in den Ackergebieten des Dietenbaches wichtigere Nahrungsflächen vorfinden als im Naturschutzgebiet Rieselfeld ebenfalls bestritten. Das RP äußert weiterhin „den begründeten Verdacht, dass Weißstörche, Schwarzmilan und Rotmilan durch zahlreiche geplante Bauprojekte, welche zu einem Offenlandverlust im Umfeld des Vogelschutzgebietes führen würden, durch überwiegend negative Summationswirkungen in naher Zukunft beeinträchtigt werden.“ Meine Damen und Herren, man braucht kein Ornithologe sein, um diesen Satz ohne Bedenken als richtig zu erkennen! Selbstverständlich ist der Wegfall von Nahrungsräumen nachteilig für eine Tierpopulation, da sich auch Tiere nicht nur von Luft und Liebe ernähren können. Die Stadt möchte aber diese Sätze „streichen, da es sich nicht um eine Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes handelt. Prognostisch einen schlechteren Erhaltungszustand anzunehmen und das mit planungsrechtlich noch nicht gesicherten Vorhaben zu begründen, scheint an dieser Stelle fragwürdig.“ Meint die Stadt. Nächstes Beispiel, nochmal zum Rotmilan, zu dem die Stadt folgendes schreibt: „Aus den Erhebungen in der Dietenbachniederung und den Erhebungen zum Stadionneubau In Freiburg geht hervor, dass die Dietenbachniederung und die Flugplatzfläche sporadisch genutztes Nahrungshabitat des Rotmilans sind. Da der Rotmilan solche kurzfristig günstigen Nahrungsflächen großräumig sucht und gezielt anfliegt, kann diese zeitweilige Funktion wahrscheinlich auch durch andere Flächen erfüllt werden. Nach der aktuellen Datenlage ist somit eine besondere Bedeutung der Nahrungshabitate der Dietenbachniederung und des Flugplatzes für den Fortpflanzungserfolg des Rotmilans wenig wahrscheinlich.“ Zitatende. Das ist eine Behauptung, die ich für äußerst gewagt halte! Wo sollen denn die Flächen für den Rotmilan sein? Sie werden doch immer weniger eben durch die Ausweisung ständig neuer Baugebiete. Meine Damen und Herren vom Umweltschutzamt, all diese Ausführungen zu Dietenbach und Flugplatz erwecken den Eindruck, als hätten nicht Sie, sondern der Baubürgermeister diese Passagen geschrieben. Sie erscheinen nicht fachlich neutral, sondern folgen der vorgegebenen politischen Linie.
Es ist schade, Ihre wirklich in weiten Teilen sehr gute Ergänzungs- oder auch Änderungsvorschläge des RP-Entwurfs werden durch Ihre Einlassungen zu Dietenbach abgewertet. Wenn sich die Sachbearbeiter im RP nicht zu der baulichen Zukunft des Dietenbachs und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Vogelwelt äußern dürfen, dann würde das in Erweiterung bedeuten, dass auch Sie keine Prognosen zu den Auswirkungen von Eschentriebsterben und Klimawandel machen dürfen, denn auch diese betreffen die Zukunft. Sehen Sie, wie absurd Ihre Forderung ist?
Meine Damen und Herren, wegen der für uns zu tendenziösen Ausführungen zu Dietenbach können wir dieser ansonsten sehr guten Vorlage nicht zustimmen und werden uns enthalten.