Ja, auch Freiburg Lebenswert (FL) setzt sich für bezahlbare Wohnungen in Freiburg – vor allem im Bestand – ein. Und: Ja, auch wir haben schon Maßnahmen befürwortet, die die Mieten in Freiburg möglichst niedrig halten sollen. Aber: Wir haben uns auch immer dafür eingesetzt, dass Metropolen nicht auf Kosten der ländlichen Regionen wachsen. Nun bestätigt diese zweite Aussage eine sehr interessante und lesenswerte Kolumne von Henrik Müller bei SPIEGEL ONLINE. Er hält andererseits aber auch die erste Aussage, Mieten künstlich niedrig zu halten, für falsch. Es lohnt sich, seine Argumentation zu lesen und zumindest darüber zu diskutieren.
Die zwei zentralen Aussagen des promovierten Volkswirts und Professors für wirtschaftspolitischen Journalismus an der Technischen Universität Dortmund lauten: „Eine widersinnige Politik: Es ist absurd, einerseits zu beklagen, dass gleichwertige Lebensverhältnisse nicht mehr bundesweit zu gewährleisten sind, und andererseits jenen Preismechanismus außer Kraft zu setzen, der genau dieser raumwirtschaftlichen Entwicklung entgegenwirkt. (…) Wer die Mieten in den Metropolen künstlich niedrig hält, verschärft den Konflikt zwischen Stadt und Land. Es wäre ein Drama, sollte diese Art von Wirtschaftspolitik Schule machen.“
Zu Recht beklagt Müller, was jeder weiß und auch alle politischen Parteien beklagen: „Die Großstädte wachsen immer weiter, kleinere Städte und ländliche Regionen verlieren Bevölkerung, und zwar teilweise dramatisch.“ Er stellt aber auch fest: „Dass unter diesen Bedingungen Wohnraum in den Metropolen knapp – und teuer – ist, und es zugleich Gegenden gibt, wo Immobilien quasi wertlos sind, sollte niemanden verwundern.“ In einer Untersuchung des Ifo-Instituts vom 12.06.2019 heißt es gar: „In einigen ländlichen Regionen haben die Bevölkerungszahlen den Stand von Mitte des 19. Jahrhunderts erreicht, mit weiter rückläufiger Tendenz.“ (siehe: https://www.ifo.de/publikationen/2019/aufsatz-zeitschrift/die-wucht-der-deutschen-teilung-wird-voellig-unterschaetzt)
Müller weist auf die Gesetze des Marktes hin: „Der wichtigste Wettbewerbsvorteil der kleineren Städte und des flachen Lands sind die niedrigeren Lebenshaltungskosten, vor allem günstiger Wohnraum. Aus der Perspektive dieser Gegenden sind steigende Mieten und Immobilienpreise in den Großstädten eine Chance. Dadurch erhöht sich ihre relative Attraktivität – für die ansässige Bevölkerung und für potenzielle Zuzügler.“ Diesem Dilemma, dass die Städte auf Kosten der ländlichen Räume wachsen, muss man sich stellen und kann es nicht als unabänderlich hinstellen.
Und er erinnert an ganz natürliche Gesetze, die in manchen Metropolen und Boom-Städten wie Freiburg niemand hören will: „Hohe Mieten für Metropolen-Zuzügler setzen deshalb die richtigen Anreize. Kein Bürger hat ein Anrecht darauf, dort, wo er hinziehen möchte, billigen Wohnraum vorzufinden. Junge, gut ausgebildete Beschäftigte sollten von ihren Arbeitgebern Gehaltszuschläge wegen hoher Wohnkosten verlangen – oder sich Jobs in billigeren Gegenden suchen. Studenten müssen nicht nach München, Düsseldorf oder Berlin gehen, sondern können nach Kiel, Bochum oder Greifswald ausweichen.“
Und was ist mit der Gentrifizierung, die auch wir bei FL immer wieder beklagen? Was ist, wenn die alt eingesessene Bevölkerung sich die hohen Mieten nicht mehr leisten kann? Sie ist hier nicht gemeint, schreibt Müller: „Für die Eingesessenen, insbesondere für ältere Metropolenbewohner, für die nach Jahrzehnten in gewohnter Umgebung ein Umzug aufgrund steigender Wohnkosten nicht mehr zumutbar ist, sieht die Sache naturgemäß anders aus. Sie bedürfen des Schutzes durch das Mietrecht und gegebenenfalls staatlicher Unterstützung.“
Wie gesagt: Man muss sich seine Argumente nicht zu eigen machen. Es lohnt sich aber, sie zu lesen und zu diskutieren, vielleicht ist ja doch etwas dran. Denn Müller schreibt auch: „Das Beste an der Marktwirtschaft ist der Preismechanismus. Was knapp ist, wird teurer. Es gibt keinen eleganteren Weg, Bedürfnisse und Kapazitäten auszubalancieren. (…) Um Ungleichgewichte abzumildern, gibt es Gesetze, die die Position von Arbeitnehmern oder Mietern schützen (Kündigungsschutz, Mindestlöhne, Mietpreisbremse). Staatliche Sozialleistungen sollen soziale Härten abfedern (Wohngeld, Sozialhilfe). (…) Welches Maß an Ausgleich gerecht und notwendig ist, darum dreht sich ein Großteil der politischen Debatten, verständlicherweise.“ Der Preismechanismus selbst, so Müller, wurde aber bisher prinzipiell nicht außer Kraft gesetzt.
Den sogenannten Mietendeckel, den der Berliner Senat jetzt aufgelegt hat, der Mieterhöhungen zunächst für fünf Jahre prinzipiell ausschließt, hält er nun aber für einen „wirtschaftspolitischen Tabubruch“, der nicht Schule machen dürfe. Er würde völlig in die Irre führen, was Auswirkungen nicht nur auf Instandhaltung und Neubau von Wohnraum hätte, sondern auch auf die regionale Entwicklung in Deutschland insgesamt. „Per Gesetz eingefrorene Mieten wirken wie eine Subvention für diejenigen, die aus ländlichen Regionen in die Metropolen übersiedeln. Gegenden, die ohnehin demografisch ausdünnen – und davon gibt es eine Menge in der Bundesrepublik -, werden umso weniger Chancen haben, den Schwund an Bevölkerung und Wirtschaftskraft zu bremsen“, so Müller.