Argumente für den Erhalt des Dietenbach-Geländes

Der Bürgerentscheid am 24. Februar 2019 zu einem neuen Stadtteil auf dem Dietenbach-Gelände rückt näher. Auf dem Wahlzettel wird dann die Frage stehen: „Soll das Dietenbachgebiet unbebaut bleiben?“ Das heißt: Wer gegen den neuen Stadtteil ist, muss mit „Ja“ stimmen. Wer sich darüber Gedanken macht und wählen geht, der sammelt nun Argumente für den Wahlkampf, für Diskussionen mit Freunden und Bekannten oder an Info-Ständen auf der Straße. Unsere Vorsitzende Gerlinde Schrempp hat dankenswerterweise dafür einige wichtige Argumente zusammengestellt, die wir hier gerne veröffentlichen möchten:

Im Jahr 2016 wurden 1700 Baugenehmigungen erteilt, von denen aber nur 420 fertiggestellt werden konnten. In dieser Tatsache liegt unseres Erachtens das Hauptproblem der Wohnungsknappheit. Der Baubürgermeister hatte in den vergangenen Jahren ein einziges Thema in seinem Amt: Die Umsetzung des SC-Stadions. Dafür wurde ein Großteil der Ressourcen im Bauamt benötigt. Wieso ist das Gebiet Zinklern jahrelang nicht vorangekommen? Weil das Bauamt in dieser Sache geschlafen hat, bis eine Erbengemeinschaft – Jahre nach der Genehmigung – ein Haar in der Suppe finden konnte. Das Gleiche bei Zähringen Nord. Hat die Firma Micronas bisher dort Mineralwasser abgefüllt? Nein, es war immer bekannt, was dort produziert wurde – die Feuerwehr kennt jedes Regal mit gefährlichen Stoffen in Freiburg und hat dies auch mitgeteilt. Jetzt plötzlich ist dem Baubürgermeister aufgefallen, dass es da ein Problem geben könnte. Man könnte noch weitere Beispiele aufzählen, bei denen der Grund dafür, dass derzeit keine Wohnungen entstehen, klar beim Baubürgermeister zu finden ist.

„In Freiburg sind in den letzten Jahren jährlich über 1.000 Baugenehmigungen erteilt worden. Diese Zahl ist mehr als genug um die Wohnungsknappheit zu beseitigen, wenn sie denn einmal in die Tat umgesetzt würde.“

Den Beschluss, dass 50% aller Neubaumaßnahmen aus geförderten Mietwohnungen bestehen sollen, hat die Fraktion FL/FF ebenfalls mitgetragen. Es ist aber nicht richtig, wie oft behauptet, dass dieser Beschluss zu selten angewendet wurde. Er ist lediglich einmal nicht angewendet worden, nämlich beim EKZ Landwasser. Gerlinde Schrempp hatte dafür gekämpft, dass dieser Beschluss in Landwasser nicht zur Anwendung kommt, weil hier bereits mit weitem Abstand über dem Mittel (77%) der Leistungsempfänger in der Stadt wohnhaft sind. Wir brauchen in Landwasser eine Gentrifizierung von der anderen Seite. Wir sind da völlig einig mit dem BV-Vorsitzenden Dormeier. Siehe dazu die Rede von Stadträtin Gerlinde Schrempp im Gemeinderat: https://freiburg-lebenswert.de/rede-zum-einkaufzentrum-landwasser/

Nun zu Dietenbach: Die große und die kleine Politik spricht Tag für Tag vom Klimawandel, der uns die größten Sorgen macht und Probleme bringen wird. Es gibt eine Gruppierung von Oberbürgermeistern (u.a. Mentrup aus Karlsruhe und Maly aus Nürnberg), die in einer gemeinsamen Erklärung verkündet haben, keine weiteren neuen Baugebiete auf der grünen Wiese mehr zuzulassen aufgrund der klimatologischen Entwicklung. Die Grünen im Bund sowie in anderen Städten sind die heftigsten Befürworter solcher Maßnahmen — und in Freiburg?

Die Landwirte werden enteignet, um Freiburg für Menschen von außen noch attraktiver zu machen. In Dietenbach wird für die Freiburger keine einzige preiswerte Wohnung entstehen können. Das ist unter anderem auch darin begründet, dass der Gemeinderat beschlossen hat, Grundstücke nur noch in Erbpacht zu vergeben. Erbpachtgrundstücke können aber auch von den Eigenheimern auf solchen Grundstücken nicht mehr gekauft werden. Das ist eine der dümmsten Entscheidungen, die eine Mehrheit im Freiburger GR in den letzten Jahren getroffen hat. Welcher Investor baut auf Erbpachtgrundstücken und kann dann noch preiswert vermieten? Auch die Stadtbau ist hier völlig überfordert. Es bleibt die Verlautbarung der Sparkasse abzuwarten, die deutlich machen wird, was uns in Sachen Dietenbach erwartet. Der Finanzbürgermeister kann einem nach dieser Gemeinderatsentscheidung nur noch leidtun.

„Die Landwirte werden enteignet, um Freiburg für Menschen von außen noch attraktiver zu machen. In Dietenbach wird für die Freiburger keine einzige preiswerte Wohnung entstehen können.“

Neben den klimatologischen Gesichtspunkten gibt es noch etwas anderes zu beachten: Freiburg wird zu ca. 5% aus heimischen Produkten versorgt, in Baden-Württemberg sind es durchschnittlich 20%. In Freiburg wird nun die letzte große landwirtschaftliche Fläche der Stadt zubetoniert. Woher sollen unsere Enkel ihre Nahrungsmittel in 20 oder 30 Jahren beziehen, wenn die derzeitige Entwicklung nicht gestoppt wird?

In Freiburg sind in den letzten Jahren (solange FL im GR ist) jährlich über 1.000 Baugenehmigungen erteilt worden, das ist im Verhältnis gesehen deutlich mehr als in Städten wie Hamburg oder München. Diese Zahl ist mehr als genug um die Wohnungsknappheit zu beseitigen, wenn sie denn einmal in die Tat umgesetzt würde. Insofern lenkt der Ruf nach einem neuen Stadtteil von den tatsächlichen Problemen im Bereich der Genehmigungsverfahren ab. An diesen Problemen wird ein Entschluss für den neuen Stadtteil aber nichts ändern.

Helfen würde auch verschieden weitere Maßnahmen, über die an anderer Stelle schon oft gesprochen wurde: Wenn man die Probleme Leerstand und Zweckentfremdung angehen würde, könnte viel Wohnraum der Spekulation entzogen werden. Speicherausbauten fördern, ältere Ehepaare oder Einzelpersonen, die in großen Häusern wohnen beraten und fördern, würde außerdem viel Wohnraum schaffen können, wenn man es nur wollte. Auch über das Überbauen von bereits versiegelten Parkplätzen, einstöckigen Supermärkten und Lagerhallen, dazu das Ausweisen von reinen Gewerbegebieten in Mischgebiete et. etc. wurde hier schon oft berichtet. Dies alles mag aufwendig und mühsamer sein, aber es erhält dafür die Lebensqualität und die grünen Ressourcen unserer Stadt.

„Freiburgs Wachstum geht auf Kosten anderer Gemeinden.“

Weiterhin muss man auch einmal begreifen, dass eine Stadt wie Freiburg aufgrund ihrer terrestrischen Lage am Fuße des Schwarzwalds nicht unendlich wachsen kann und deshalb auch die Werbung, die beispielsweise die FWTM jahrelang auf der ganzen Welt betrieben hat, nach Freiburg zu kommen, unverantwortlich war und ist.

Freiburgs Wachstum geht auf Kosten anderer Gemeinden, die Leerstände, in Kaiserstuhlgemeinden, in Schwarzwaldgemeinden sind teilweise dramatisch. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es ein Problem darstellen soll, wenn man als in Freiburg Arbeitender in Schallstadt, Kirchzarten, in Gundelfingen, Denzlingen, Vörstetten, in der March wohnt. Denn wir haben einen hervorragenden ÖPNV in Freiburg, der die Menschen in extrem kurzer Zeit in die Stadt bringen kann. In Großstädten ist man oft doppelt oder dreimal so lange unterwegs, um zur Arbeit zu gelangen.

Protest gegen Enteignung und für ein Bauverbot im Dietenbach (Foto: W. Deppert)