Für viel Diskussionen hat die Neubauplanung des Einkaufzenrums (EKZ) Landwasser und deren geplante Vergabe an den Projektentwickler Unmüssig gesorgt. Unsere Stadrätin Gerlinde Schrempp ist als Bewohnerin des Staddteils Landwasser besonders berufen, dazu etwas zu sagen. In ihrer Rede im Freiburger Gemeinderat am 6. Dezember 2016 plädiert sie für eine bessere soziale Durchmischung in diesem Quartier und bittet deshalb um Verständnis dafür, beim EKZ nicht zwingend die 50%-Regelung einhalten zu müssen. Hier ihre Rede zur Drucksache G-16/249 :
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,
eigentlich sind alle Positionen zum geplanten EKZ in Landwasser schon aufgeführt, ich möchte das Thema aber aus der Sicht einer Bewohnerin des Stadtteiles angehen und deshalb bitte ich um Ihre Geduld.
Das jetzige Einkaufszentrum in Landwasser ist in einem erbärmlichen Zustand, wie dies ja schon mehrfach geschildert wurde. Die TAG als jetzige Betreiberin hat das EKZ verkommen lassen. Es ist in einem baulich maroden Zustand, Wasser läuft von den Wänden, es ist verdreckt, eine absolute Zumutung für die zahlreichen Praxen und Dienstleister im Obergeschoss, manche Mieter lassen die Zugänge aussehen wie kurz vor einem Sperrmülltermin und das monatelang. Die Verträge der Mieter werden mit den aus meiner Sicht übelsten Methoden ausgehebelt, das ist aber nicht nur im EKZ die Praxis der TAG, Mieter von Wohnungen sind solchen Machenschaften ebenso ausgesetzt, wie ich das schon mehrfach erlebt habe. Telefonisch landet man in Warteschleifen, bei AB’s, schriftliche Anfragen werden nicht beantwortet, glauben Sie mir, meine Damen und Herren, ich kenne genügend verzweifelte Mieter in Landwasser.
Der Zustand dieses Einkaufszentrums, das früher einmal ein angenehmer Stadtteiltreff war mit allen notwendigen und gut sortierten Geschäften, einem Metzger, einem Schuhgeschäft, drei Bankfilialen, einem Haushaltswarengeschäft, einer tollen Modeboutique, einem Hotel mit Restaurant, zwei Supermärkten, Drogerie usw. ist heute so, dass nicht nur ich dieses Stadtteilzentrum meide, nachts sowieso, tagsüber aber ebenfalls. In manchen Geschäften ist die deutsche Sprache die Ausnahme, leider auch auf den Straßen und Wegen rund um die Schule und das HdB. Um nicht missverstanden zu werden: Zweisprachigkeit ist eine wunderbare Sache, die ich in jedem Fall unterstütze, aber wenn mein Lebensmittelpunkt Deutschland ist, muss ich – vor allem nach 15 oder 20 Jahren – auch die deutsche Sprache beherrschen, um eine Chance im Berufsleben und in der Gesellschaft zu haben.
Aus all den obengenannten Gründen begrüße ich es außerordentlich, dass die TAG das Vorhaben „neues EKZ in Landwasser“ nicht verwirklichen wird, weil ich diese Firma zu einem großen Teil für die Zustände als Verursacher in der Verantwortung sehe, sondern dass sich der Freiburger Investor Unmüßig um dieses Zentrum, nach meiner Information bundesweit als einziger Interessent, bemüht. So wird die Nahversorgung der Bevölkerung wiederhergestellt werden können, die jetzt nicht mehr gegeben ist.
Herr Kollege Moos ging in seiner Rede auf das Schreiben des HdB-Geschäftsführers ein, deshalb mache ich das jetzt auch, obwohl so ausführlich nicht vorgesehen.
Nun wird von in diesem Mail davon geschrieben, dass der geplante Gebäudekomplex auf ein „menschenwürdiges Maß“ verkleinert werden soll. Mir war als langjährige Bewohnerin eines Hochhauses in Landwasser nicht bewusst, dass große Gebäudekomplexe unmenschlich sind, das Gegenteil war bei meinen Erfahrungen der Fall. Ich selbst habe wunderbar in Auwaldstraße 1 gewohnt, und ich konnte außergewöhnlich gute Nachbarschaftsverhältnisse dort wahrnehmen. Allerdings waren nach Entlassung aus der Mietbindung die guten Nachbarn nahezu alle Eigentümer ihrer früheren Mietwohnungen geworden.
In dieser Mail lesen wir weiterhin davon, dass eine Durchmischung der Bewohnerschaft ermöglicht werden soll. Meine Damen und Herren, das muss man mir erklären. Die Landwasseraner kennen die Durchmischung der Bewohnerstruktur sehr genau, weshalb sich der Bürgerverein auch dankenswerterweise in die Diskussion eingeschaltet hat. Ich will nicht alle Argumente, die Herr Dormeier dem Gemeinderat hat zukommen lassen, nochmals aufführen, diese sind alle richtig und unbedingt zu unterstützen. Aber die Anhebung des sozialen Milieus durch neue Mieter im Wohnbereich, bei gleichzeitiger Steigerung der Kaufkraft, Schaffung von kleineren Wohnungen für Paare oder Singles, natürlich auch für Ältere, ist absolut notwendig und kann Landwasser wieder in die richtige Spur bringen. An die Adresse der Geschäftsführung des HdB möchte ich Folgendes sagen: Wenn Geförderter Wohnungsbau im neuen EKZ verwirklicht werden soll, dann muss höher gebaut werden, um das Projekt finanzierbar zu machen. Ich habe damit keine Probleme. Aber das ist ja, wie oben ausgeführt, auch nicht gewollt. Wenn man von Seiten der genannten Geschäftsführung Vorschläge hat, dieses zu verwirklichen, sind sie sicher willkommen, vom Diktat des Investors zu sprechen, ist einfach nur peinlich. In Anbetracht der Erfahrungen, die wir in Landwasser mit Firmen wie TAG und leider zum Teil auch mit Vonovia gemacht haben, wäre es fatal, wenn der einzige interessierte Investor abspringen würde.
Ich habe im Hauptausschuss schon darauf hingewiesen, dass durch das Auslaufen der Mietpreisbindung beispielsweise in der Wirthstraße wohl kaum jemand ausziehen muss. Die Stadt wird die Erhöhung der Mietpreise in den meisten Fällen zu zahlen haben, und das dürfte auch jedem hier bekannt sein.
Meine Fraktion unterstützt alle drei Punkte des Beschlussantrages, wir sind ausgesprochen dankbar, dass die Organisation und die finanzielle Zwischenentwicklung in der Verantwortung des Planungsbegünstigten steht. Hier ist vor allem die Aufrechterhaltung der Nahversorgung des Stadtteils in der ca. zweijährigen Abbruch- und Neubauphase von ganz besonderer Bedeutung.
Noch ein paar Worte zum Abweichen vom 50%-Beschluss. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass dieser GR-Beschluss von 2015 für die Stadt Freiburg von großer Wichtigkeit ist. Wir haben diesen Beschluss aber ausdrücklich mit der Maßgabe der Ausnahmemöglichkeit gefasst. Für Stadtteile wie Landwasser ist diese Ausnahmeregel aus unserer Sicht zwingend geboten.
Bei vielen Neubauvorhaben in anderen Stadtteilen ist eine soziale Durchmischung der Bevölkerungsstruktur absolut gewünscht und sicher auch machbar. In Landwasser muss die Durchmischung aber in einer anderen Richtung erfolgen, wie das der 50%-Beschluss ursprünglich begründete.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Hier die Rede auch als PDF-Datei: rede-von-gerlinde-schrempp-zum-ekz-landwasser-drucksache-g16-249-dez-2016