Anfrage zum Bauvorhaben Eichhalde Süd

Wieder ein Bauvorhaben in Freiburg, das nichts Gutes hoffen lässt. Zum Bauvorhaben Eichhalde Süd hat Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) am 17.1.2024 folgende Anfrage (nach § 24 Abs. 4 GemO zu Sachthemen außerhalb von Sitzungen) an OB Martin Horn und an Finanzbürgermeister Breiter gerichtet:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Als Einzelstadtrat ist es mir nicht immer möglich, mich mit allen Freiburg-relevanten Themen in aller Ausführlichkeit zu beschäftigen. Ich wurde nun in den letzten Tagen von verschiedenen Seiten in Herdern angesprochen, wie beispielsweise auf dem Herdermer Neujahrsempfang, wieso ich bei der Genehmigung zu dem Bauvorhaben Eichhalde Süd nicht zumindest interveniert hätte. In der Tat habe ich mich auf die Aussage der Verwaltung verlassen, dass in diesem Fall baulich ein „gutes Ergebnis“ erzielt worden sei. Nachdem ich nun die Pläne für die Bebauung der Flurstücke 5712/5 und 5712/26 zu Gesicht bekam, bin ich aus allen Wolken gefallen. Das ist kein gutes Ergebnis, sondern ein stadtplanerischer Offenbarungseid!

Die Bauvoranfrage vom Januar 2020 umfasste zwei Mehrfamilienhäuser mit 16 Wohneinheiten. In der Drucksache G-20/106 wurde vom Gemeinderat am 26.05.2020 ein Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Eichhalde Süd“, Plan-Nr. 2-117 im beschleunigten Verfahren nach §13a Baugesetzbuch gefasst. Anlass der Planaufstellung war, dass für den südlichen Teil des Plangebiets der Bauverwaltung eine Bauvoranfrage für eine Wohnbebauung der Grundstücke Flst.Nrn. 5712/26 und 5712/5 vorlag. Vorgesehen waren zwei großformatige Wohngebäude (je 15 m x 21 m) mit einer talseitig dreigeschossigen Bebauung und einem zurückgesetzten Dachgeschoss mit Flachdach. Die Bebauung wurde aus städtebaulicher Sicht aufgrund der geplanten Kubatur und Geschossigkeit als zu massiv für den Standort bewertet. Die Aufstellung des Bebauungsplans erfolgte, um eine städtebauliche Fehlentwicklung im Plangebiet zu vermeiden. Die städtebauliche Entwicklung in diesem für Landschafts- und Stadtbild relevanten Bereich des Stadtgebiets sollte gezielt gesteuert und eine maßvolle bauliche Entwicklung zu Wohnzwecken insbesondere im Bereich der südlichen Eichhalde ermöglicht werden. Der Bebauungsplan sollte der Sicherung von Planungszielen dienen wie beispielsweise „reine Wohnbebauung“ oder „die vorhandenen Naturdenkmale im Plangebiet zum Erhalt festzusetzen“. Die maßvolle bauliche Entwicklung beinhaltete eine Bebauung mit Wohngebäuden als Solitärgebäuden mit maximal zwei Wohneinheiten pro Gebäude und klaren Vorgaben der Gebäudegröße, wie sie in der Anlage 3 der Drucksache für insgesamt vier Gebäude abgebildet sind.

Aufgrund der Beschränkung auf die zwei Flurstücke konnte man davon ausgehen, dass nur zwei der in der Anlage 3 schematisch abgebildeten Gebäude realisiert werden würden. Und man musste davon ausgehen, dass seitens der Stadt eine Vereinbarung mit dem Bauträger als gut bezeichnet wird, wenn deren Inhalt sich weitgehend an der gemeinderätlichen Beschlussvorlage orientiert und dem Bauträger allenfalls geringe Zugeständnisse gemacht werden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der genehmigte Bauantrag übernimmt weitgehend die bereits in der Bauvoranfrage vorgestellten Wünsche des Bauträgers. Genehmigt wurden statt der zwei beantragten Gebäude in der Bauvoranfrage nun sogar drei dreigeschossige Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 15 Wohneinheiten. Es ist kein Baumerhalt vorgesehen, sondern eine Fällung der Alteichen mit „Waldausgleich“. Die durch den B-Plan gewünschte Vermeidung einer Fehlentwicklung in diesem Plangebiet findet durch den genehmigten Bauantrag, entgegen der Aussagen in dem folgenden Schreiben, keinesfalls statt.

In dem Schreiben an Anwohner vom 20.11.23 wird vom Leiter des Stadtplanungsamtes, Herrn Jerusalem, und dem Leiter des Baurechtsamtes, Herrn Ratzel, allen Ernstes ausgeführt, dass „diverse Gespräche zwischen dem Bauherrn, den Architekten und den zuständigen Fachabteilungen der Stadtverwaltung stattfanden und das Bauvorhaben in einigen Belangen reduziert wurde, sodass es den vorgesehenen Festsetzungen des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans entspricht und somit zur Genehmigung gebracht werden konnte. Insbesondere wurde das Bauvolumen reduziert (Gebäudetiefe und Höhe) und die Gebäude wurden an die bestehende Topografie angepasst. Das Bauvorhaben fügt sich nun mit der Begrünung und den dazwischenliegenden Abständen gut ein.“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, anders als dieses Schreiben suggeriert, herrscht ein eklatantes Missverhältnis zwischen dem, was in der Druckvorlage zum Aufstellungsbeschluss als Planungsziele genannt wird und dem, was dem Bauträger genehmigt wurde. Und das wurde auf Anfrage der FDP/BfF vom 13.06.23 dem Gemeinderat durch die Antwort des Baubürgermeisters vom 17.07.23 dann auch noch als „gutes Ergebnis“ verkauft. Ich habe daher zumindest Verständnis für in Herdern geäußerte Vermutungen oder gar Behauptungen, dass „hier nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein kann“. Ich will besser nicht ausführen, was damit gemeint ist.

Ich bin inzwischen auch wenig erbaut davon, dass Beschlüsse des Gemeinderats zu Bebauungsplänen vom Baudezernat immer wieder als verhandlungsstrategisches Instrument oder besser als Drohkulisse gegenüber Bauherren eingesetzt werden, um sie dann, wenn der Bauherr „einlenkt“, wieder einzukassieren. In diesem Fall sogar still und heimlich, wie bereits in der Anfrage von FDP/BfF zurückhaltend kritisiert wird. Und die vom Gemeinderat gewünschten strengeren Auflagen des Bebauungsplans werden dann nach Gutdünken des Baudezernats durch eine nachgeschobene §34-Entscheidung mal mehr, mal weniger aufgeweicht. Sieht man beim Baudezernat in den Mitgliedern des Gemeinderates nur „nützliche Idioten“, deren Beschlüsse man je nach Laune umsetzt oder eben in der Schublade verschwinden lässt? Ich für meinen Teil werde künftig nicht mehr hinnehmen, dass Beschlüsse zu Bebauungsplänen nicht umgesetzt werden. Schließlich vertraut auch die Bürgerschaft darauf, dass die Vorgaben eines Bebauungsplans umgesetzt werden.

Nach dem langen Vorspann nun meine Fragen:

  1. Die geplante Bebauung laut Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplanes „Eichhalde Süd“ sah Solitärgebäude mit maximal zwei Wohneinheiten pro Gebäude vor. Wie kann es sein, dass dem Bauträger statt der beantragten zwei nun sogar drei Mehrfamilienhäuser mit jeweils fünf Wohneinheiten genehmigt wurden? Dies widerspricht massiv dem Bebauungsplan. In den Jahrzehnten zuvor wurden alle Planvorhaben in diesem unteren Hangabschnitt abgelehnt, da sie zum einen im Außenbereich lägen und zum anderen zu großen Hangabtragungen führen würden. Auch wollte man den Baumbestand erhalten. Und nicht zuletzt sollten allenfalls Einfamilienhäuser gebaut werden dürfen. Wieso wurde es diesmal genehmigt? Welche Dimension hatten die damaligen Planvorhaben in diesem unteren Hangabschnitt? Weshalb hat das Baudezernat den einstimmig gefassten Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Eichhalde Süd“ nicht weiter ausgearbeitet und damit den Beschluss des Gemeinderates negiert? Wieso wurde keine Veränderungssperre verhängt?
  2. Zwar hat der Bauherr die ursprünglich zwei geplanten Gebäude verkleinert (von jeweils acht Wohneinheiten auf jeweils fünf Wohneinheiten, also von insgesamt 16 auf nun noch 15) und um ein Geschoss auf drei Geschosse reduziert. Außerdem hat er die geplante Kubatur stärker in den Hang integriert. Die geringe Reduzierung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass massive Hangabtragungen – auch durch die gemeinsame 60m lange Tiefgarage – erfolgen werden. Es muss mit mindestens 10.000 Kubikmetern Aushub gerechnet werden. Dies entspricht rund 850 Fahrten von Vierachs-Kipplastwagen mit 12 Kubikmetern Nutzvolumen, von der zusätzlichen Anlieferung der Baumaterialien ganz abgesehen. Wie kann die Stadt die mit den Transporten verbundene hohe CO2-Belastung vertreten, zumal durch den Hangabtrag auch der alte Baumbestand komplett wegfällt, der durch den Aufstellungsbeschluss größtenteils erhalten bliebe? Wie soll der Abtransport des Aushubs über die enge Wintererstraße oder die engen Zähringer Straßen ohne eine massive Beeinträchtigung der Anwohner erfolgen? Kann es sein, dass bei der Genehmigung sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt haben, z. B. dass bei Dietenbach vielleicht zu wenig Erdaushub angeliefert wird?
  3. Bei der Genehmigung nach §34 BauGB stellt sich für mich außerdem die Frage, warum die geplante Bebauung nicht dem aus dieser Perspektive einzig sichtbaren Referenzgebäude Eichhalde 2 in der Größe und Kubatur angepasst wurde?  
  4. Darüber hinaus sprechen wir in diesem Gebiet von keinem sozialen Wohnungsbau. Pro Gebäude sollen vier Wohnungen mit einer jeweiligen Größe von ca. 70-80 qm sowie einer Penthouse-Wohnung mit ca. 160 qm entstehen. Wären 2-geschossige Einfamilienhäuser nicht familienfreundlicher und damit sozialer gewesen? Wie begründen Sie die jetzt geplante Bauweise mit der vorhandenen Struktur, bestehend aus Einfamilienhäusern?
  5. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die doch sehr massive Tiefgarage mit 23 Stellplätzen nicht ausreichen wird. Wie vermeiden Sie eine Parksituation wie im Bereich der südlichen Wintererstraße, die dann auch zu einer Beeinträchtigung der Eichhalde als gern genutztem Spazierweg führen wird?
  6. Die Stadt begründet ihre Vorgehensweise damit, dass genehmigte Aufstellungsbeschlüsse ein gängiges Verfahren seien, um so ins Gespräch mit den Bauherren zu kommen. Ziel dabei sei, sich auf dieser Basis miteinander gütlich einigen zu können. Sie sprachen auf dem Neujahrsempfang in Herdern selbst von einer freundlich städtischen Verhandlungstaktik. Ist dies nicht vielmehr ein schwaches Zeichen in die Bevölkerung, wenn Sie als Stadtverwaltung nur mit Gemeinderatsbeschlüssen kommunikations- und verhandlungsstark bei Bauinvestoren auftreten können? Ist es nicht vielmehr ein Armutszeugnis, wenn die Stadtverwaltung die Bürgerschaft im Glauben lässt, dass sie anhand des Bebauungsplanverfahrens für eine maßvolle Bebauung Sorge trägt, dann aber überdimensionierte Bauvorhaben genehmigt und die Bebauungsplanverfahren in der Schublade verschwinden lässt? Müssten wir nicht gerade in diesen Zeiten verstärkt darauf achten, dass wir die Demokratie tagtäglich stärken – wohlwissend dass Sie im Spannungsverhältnis der eigenen Ressourcen – der Politik – der Bürgerschaft – und des Fachkräftemangels stehen. Wie viele Ressourcen bindet ein solches Vorgehen innerhalb der Stadtverwaltung? Wie stellen Sie zukünftig ein effektiveres und effizienteres Vorgehen sicher?
  7. In diesem Zusammenhang stellt sich für mich als Stadtrat außerdem die Frage, wie mit unseren Beschlüssen umgegangen wird. Schließlich ist die Beschlussvorlage zum Bebauungsplan „Eichhalde Süd“ im Gemeinderat vor fast vier Jahren behandelt worden. Der Bebauungsplan, zu dem der Aufstellungsbeschluss seitens des Gemeinderates einstimmig gefasst worden war, ist mittlerweile nicht mehr als Planverfahren im Internet aufgeführt. Können Sie ohne Gemeinderatsbeschluss das Verfahren überhaupt einstellen? Wie stehen Sie als Demokrat zu einem solchen Vorgehen Ihrer Stadtverwaltung? Wie stellen Sie zukünftig ein demokratischeres und abgestimmtes Verfahren sicher (unabhängig von der Planungshoheit sowie dem Selbstverwaltungsrecht einer Stadtverwaltung)?
  8. Und zum Schluss die entscheidenden Fragen: Bestünde seitens der Stadt die Möglichkeit, den genehmigten Bauantrag zurückzuziehen und das Bebauungsplanverfahren wieder aufzunehmen? Und wenn ja, bis wann würde der Bebauungsplan fertiggestellt sein? Und wann kann Herdern mit der Fertigstellung des B-Plans Sonnhalde Süd rechnen, der ja wohl aus ähnlichen Gründen in der Versenkung verschwand?

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolf-Dieter Winkler (Stadtrat)