Zur Klimaschutzbilanz in Freiburg

Zum Thema „Klimaschutzbilanz für die Jahre 2015 und 2016“ in Freiburg (Drucksache G-19/083) hat FL-Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler als Fraktionsvorsitzender der Fraktionsgemeinschaft FL/FF am 7. Mai 2019 im Gemeinderat folgende Rede gehalten:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!

Erst gestern hat der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) der UNO einen apokalyptischen Report vorgestellt, der in den nächsten Jahren ein massives Sterben der Arten voraussagt, nicht zuletzt verursacht durch die Erwärmung des Planeten aufgrund des Klimawandels. Die Autoren mahnen dringend, dass nicht länger wirtschaftliches Wachstum im Fokus der Weltgemeinschaft stehen darf. Neue nachhaltige Finanz- und Wirtschaftssysteme seien notwendig. Die Bundesumweltministerin stellte fest, dass es um nichts Geringeres geht, als um das Überleben der Menschheit. Selbst die Badische Zeitung schreibt heute in ihrem Tagesspiegelkommentar, dass die ökologische Katastrophe, der wir fast ungebremst entgegensteuern, Fakt ist, hieb- und stichfest wissenschaftlich bewiesen und man sich über die immer noch vielfach festzustellende Ignoranz gegenüber Klimawandel und Artensterben nur verwundert die Augen reiben kann.

Vor diesem Hintergrund ist die Klimaschutzbilanz von Freiburg mehr als ernüchternd! In den 24 Jahren von 1992 bis 2016 haben wir den CO2-Ausstoß pro Einwohner um gerade mal 37% reduziert. Ginge es linear so weiter, dann wäre Freiburg erst etwa im Jahr 2080 klimaneutral. Wir sollten aber eigentlich schon im Jahr 2030 klimaneutral sein, um katastrophale Auswirkungen des Klimawandels noch einigermaßen sicher vermeiden zu können. Das zusätzliche Problem ist jedoch, dass die ersten Maßnahmen sehr leicht umzusetzen sind. Je mehr Maßnahmen bereits umgesetzt sind, umso schwieriger werden weitere Einsparungen. Die restlichen 63% CO2-Ausstoß werden ungleich schwerer erreicht werden können. Nach dem Ifeu-Institut muss Freiburg aber jährlich 6% CO2 einsparen, um seine Klimaziele zu erreichen. Das ist eigentlich nur machbar mit gewaltigen Einschnitten für die gesamte Freiburger Bürgerschaft. Eigentlich müssten wir beispielsweise sofort aufhören zu bauen, da gerade die graue Energie im Baubereich und dort vor allem bei Häusern in Massivbauweise, enorm ist. Und wenn gebaut wird, dann sollte eigentlich nur noch Holz zum Einsatz kommen. Und eigentlich sollte der Autoverkehr in Freiburg sofort massiv reduziert werden. Eigentlich!

Aber die Entscheidungslage in Freiburg ist eine ganz andere. Viele Baugebiete sind geplant, ein neuer Stadtteil soll kommen – mit noch mehr Verkehr. Und einige Wachstumsfetischisten hier im Gemeinderat, vor allem in der FDP, schwadronieren bereits von weiteren, neuen Stadtteilen. Man könnte meinen, einige leben in ihrer ganz eigenen, völlig von der Außenwelt abgeschirmten Wahrnehmungsblase.

Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) spricht bei der Schülerdemo „Friday for future“ in Freiburg am 18.01.2019 (Foto: W. Deppert)

Es ist also alles andere als gerechtfertigt, dass man sich in Freiburg immer noch gerne auf die eigenen Schultern klopft für seine Ökobilanz! So liegt der bundesweite Anteil von regenerativen Energien an der Stromerzeugung bei sehr guten 40%. In Freiburg beträgt er gerade mal 7%! Natürlich haben wir nicht die windhöffigen Windenergie-Standorte wie in der norddeutschen Tiefebene oder an den Küsten. Aber wir haben eine höhere Sonneneinstrahlung, könnten also weit mehr Photovoltaik-Anlagen realisieren. Vor allem sind sie nicht so umstritten wie Windenergieanlagen. Aber selbst beim Sonnenstrom liegen wir gerade mal bei einem Anteil von ca. 3,5% an der Stromerzeugung! Dabei will ich nicht unterschlagen, dass für die schleppende Umsetzung der Energiewende die Bundesregierung maßgeblich mitverantwortlich ist, weil sie über entsprechende Verschlechterungen beispielsweise des Erneuerbaren Energien Gesetzes den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv nachteilig beeinflusst hat. Aber es ist leider so, dass auch in Freiburg die Protagonisten bezüglich Photovoltaik zum Jagen getragen werden müssen.

Nur ein paar Beispiele:

  • Die Freiburger Stadtbau will bei allen ihren anstehenden Bauprojekten erst mal prüfen, ob Sonnenenergie genutzt werden kann. Meine Damen und Herren, es ist keine Zeit mehr zum Prüfen. Es muss endlich klar gesagt werden, jawohl wir werden bei jedem Bauprojekt so viel wie möglich thermische und elektrische Solaranlagen einsetzen und auch Fassadenbegrünung realisieren. Dass nun bei den aufgestockten Gebäuden in der Belchenstraße doch noch Photovoltaik im Mieterstrommodell realisiert wird, kam erst auf meine monatelange Überzeugungsarbeit und mein Nichtlockerlassen zustande. Die Stadtbau muss endlich akzeptieren, dass sie nicht mehr nur ein Wohnungsbauunternehmen sein kann, sondern sich auch als Energiedienstleister betätigen muss. Dasselbe gilt für die Freiburger Genossenschaften, die ihr Geld lieber in Abriss und Neubau stecken, statt in regenerative Energien in ihren Bestandsgebäuden.
  • Bei der Stadiongesellschaft des SC Freiburg hatte ich vorgeschlagen auf herkömmliche Tribünendächer zu verzichten und direkt Photovoltaikmodule in ihren Tragekonstruktionen als Dachersatz zu nutzen. Das hätte einige entscheidende Vorteile gehabt. Und Freiburg hätte im ökologischen Bereich endlich mal wieder ein Alleinstellungsmerkmal gehabt. Das gesamte Stadion wäre ein gigantisches Solarkraftwerk geworden. Aber: Ich konnte mich nicht durchsetzen! Jetzt kommt ein normales Dach, auf das vermutlich eine eher bescheidene PV-Anlage aufgesetzt wird.
  • Der Freiburger Turnerschaft habe ich im Rahmen ihres momentanen Hallenbaus eine durchaus großzügige Spende für die Erstellung eines innovativen Energiekonzeptes gemacht. Auch hier höre ich nun, dass nur ein Bruchteil der in dem Konzept vorgeschlagenen Solarenergie umgesetzt werden soll.

Meine Damen und Herren, solange die Entscheidungsträger in dieser Stadt eher Bedenkenträger sind und an herkömmlichen Entscheidungsstrukturen festhalten, werden wir alle unsere Nachhaltigkeits-Ziele auch nicht nur ansatzweise erreichen! Es muss endlich Schluss sein mit „hätte, wäre, könnte, sollte“. Damit wir endlich mal eine Klimaschutzbilanz vorgelegt bekommen, die einen nicht ratlos und deprimiert zurücklässt.

Und zum Schluss muss ich doch auch noch eine Kritik am Oberbürgermeister von „Green City“ äußern. In dieser Funktion sollte man im Fernsehen eher nicht groß ankündigen, dass man demnächst 100 Länder bereist haben wird. Denn die meisten dieser Länder werden sicher nicht mit dem Fahrrad oder dem Zug zu erreichen sein. Mit solchen Aussagen vor einem Millionenpublikum ist man sicher kein ökologisches Vorbild!

Verbrannte Rasenflächen und Hitzewellen durch Klimawandel und Flächenversiegelung (Foto: M. Managò)
Das Dietenbach-Gelände wäre in Freiburg für Ökologie, Stadtklima und Landwirtschaft außerordentlich wichtig (Foto: M. Falkner)