In der Sitzung des Gemeinderats am 3. März 2020 wurde auch das Thema verkaufsoffener Sonntag (Drucksache G-20/047) behandelt. Dazu hat Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) die folgende Rede gehalten. Er ist dabei vor allem auf die Historie der Sonntagsruhe eingegangen. Da aber auch die kritischen kirchlichen und gewerkschaftlichen Institutionen eine einmalige Ausnahme akzeptieren wollten, hat auch er für die einmalige Ausnahme eines verkaufsoffenen Sonntags im Rahmen des 900. Jubiläumsjahres der Stadt gestimmt. Siehe hier seine Rede im Wortlaut:
Sehr
geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!
Schon im vorchristlichen babylonischen Reich gab es eine Sieben-Tage-Woche als ungefähre Vierteilung eines Monats. Spätestens im Judentum war dann einer dieser sieben Tage ein Ruhetag für die Menschen. Die Siebentagewoche mit einem Ruhetag wurde dann auch vom Christentum übernommen. Im Jahre 321 erklärte der römische Kaiser Konstantin den „dies solis“, den Sonntag, zum verpflichtenden Feiertag. Schon damals galt aber, dass dringende landwirtschaftliche Arbeit auch am Sonntag erledigt werden darf.
Die Weimarer Reichsverfassung legte 1919 in Art. 139 fest: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“ Nach Art. 140 des Grundgesetzes von 1949 ist der Artikel der Weimarer Verfassung nun auch Bestandteil unseres Grundgesetzes.
Aber auch heute gilt: Der Betrieb von Maschinen und Anlagen, deren Abschaltung für einzelne Tage nicht möglich ist, dringende landwirtschaftliche Arbeit sowie die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung von Sicherheit und von Versorgung in den Bereichen Wasser und Energie, Gastronomie, Gesundheitswesen usw. begründen Sonntagsarbeit – entgegen den Glaubensregeln – gerade unter sozialen und humanitären Aspekten. Daher lassen Arbeitsgesetze für den Sonntag entgegen der Sonntagsruhe entsprechende Ausnahmen zu.
Gerade nicht zu diesen Ausnahmen gehört allerdings die Öffnung von Geschäften, damit die Menschen an allen Tagen der Woche ihren Kaufbedürfnissen nachgehen können.
Nach dem Noch-Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, bleibt der Sonntag als „großes Kulturgut“ zu schützen. Auch nach dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sollte man den Sonntag bei der Gestaltung des Lebens nicht immer mehr der „Wirtschaft unterordnen“.
Seit vielen Jahrhunderten ist also eine Siebentagewoche mit einem Ruhetag in unserer Gesellschaft etabliert. Diese Errungenschaft sollten wir nicht leichtfertig auf´s Spiel setzen. Dennoch kann ich die Argumentation der Einzelhändler in der Stadt nachvollziehen, dass ein einziger Ausnahme-Sonntag im 900. Jubiläumsjahr der Stadt eine einmalige Bereicherung sein kann – zumal dafür auf einen Mega-Samstag verzichtet werden soll.
Da auch die kritischen kirchlichen und gewerkschaftlichen Institutionen eine einmalige Ausnahme akzeptieren wollen, werde auch ich einer einmaligen Ausnahme zu einem verkaufsoffenen Sonntag zustimmen.