Am 27.2.2024 erfolgte der erste Spatenstich für den neuen Stadtteil Dietenbach. Fotogen schaufelschwingend zeigten sich neben OB Martin Horn und Baubürgermeister Haag auch Bauministerin Razavi und Bundeskanzler Olaf Scholz, welcher extra anreiste, um das freudige Ereignis zu begehen. Es ist selten, dass sich ein Kanzler in Freiburg blicken lässt. Für Olaf Scholz war dies ein willkommener Anlass, schließlich will er in Deutschland Stadtteile wie in den 70ern bauen. Dementsprechend sieht er im Projekt Dietenbach auch eine Ermunterung für andere Kommunen, dem Vorbild zu folgen. In seiner Rede wies der Kanzler auf den steigenden Wohnraumbedarf hin. So habe Deutschland die höchste Einwohnerzahl „seit Ewigkeiten“ und im späten 21. Jahrhundert werden möglicherweise 90 Millionen, statt wie derzeit 84 Millionen Menschen in Deutschland leben.
OB Horn wies in seiner Rede ebenfalls auf die Wohnungsnot als eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit hin. Mit Dietenbach entstehe ein Stadtteil mit unverkennbarem Gesicht und Freiburger Charakter. Ein Stadtteil als Vorbild für Umweltschutz und nachhaltige Mobilität und vor allem als Vorbild für bezahlbares Wohnen. So sollen von den knapp 7000 Wohnungen rund die Hälfte geförderte Mietwohnungen werden. Auch der Umwelt- und Klimaschutz wird in Dietenbach eine zentrale Rolle spielen, schließlich soll ein ganzer Stadtteil für rund 16.000 Menschen klimaneutral werden, was mit „innovativen Ideen“, energieeffizienten Gebäuden und mit Photovoltaik auf nahezu allen Dächern erreicht werden soll. Zudem sei die Mobilität nachhaltig. So bekommt Dietenbach ein Anschluss ans Straßenbahnnetz, 15 km Radwege. Die Wohnstraßen werden weitgehend autofrei gestaltet.
Viele schöne Worte also, treten wir von Freiburg Lebenswert doch ständig für Umwelt- und Klimaschutz ein. Auch haben wir immer darauf hingewiesen, dass in Freiburg vor allem bezahlbare Wohnungen fehlen und diese durch die rege Bautätigkeit in den letzten Jahren nicht geschaffen worden sind. So könnten wir uns an diesen Lobeshymnen eigentlich erfreuen, denn Dietenbach scheint ja alles zu bieten. Dumm nur, dass bei den Reden des Kanzlers und des OB nicht erwähnt wurde, dass die Erschließungskosten sich seit 2018 auf 1,25 Milliarden Euro verdoppelt haben. Selbst Projektentwickler Peter Unmüßig sieht die Situation kritisch. Wenn ein neuer Stadtteil so teuer wird, weil alle Punkte in einer „überbordenden Wunschliste hineingepackt“ werden und das Produkt mit allen Orden und Ehrenzeichen – ökologisch, ästhetisch und soziologisch – veredelt ist, wird Dietenbach kein Mietmarktpreisbremser, sondern ein Mietmarkpreistreiber werden.
Doch das ist nicht alles, was beim Schönreden unterschlagen wurde. Beispiel Umwelt- und Klimaschutz: Ökologisches Bauen gibt es grundsätzlich nicht. Allein in der Herstellung wird Dietenbach enorm CO2-intensiv werden. Schon die Zement- und Betonherstellung sorgt für viel CO2. Ein zusätzlich hoher CO2-Treiber sind die Tausende von Lastwagenfahrten mit Aushub aus der Umgebung, um den Stadtteil leicht zu erhöhen. Schließlich wird Dietenbach in einem Überschwemmungsgebiet gebaut. Und wie schon vor fünf Jahren beim Bürgerentscheid wurde verschwiegen, dass Wald dafür gefällt wird. Leider blieben sowohl OB und Kanzler eine Antwort schuldig, wie dem gigantischen Flächenverbrauch entgegengewirkt werden soll. Und die Verkehrsminderung? Wieviel zusätzlicher städtischer Verkehr wird mit so vielen neuen Bewohnern und neuen Autos wohl geschaffen werden, wenn das Auto nach wie vor einen derart hohen Stellenwert einnimmt?
Immerhin stehen die neuen Straßennamen für Dietenbach schon zum Teil. Hirschkäferplatz, Pirolstraße oder Margeritenplatz, um nur einige zu nennen. Viel Flora und Fauna ist in den neuen Namen enthalten. Was in der Natur verschwindet, wird somit in den Straßennamen des Stadtteils verewigt. Wenigstens um den Artenschutz brauchen wir uns dann keine Sorgen zu machen.