Rede zum Stadttunnel

Zum Stadttunnel (Drucksache G-23/208) hat Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) am 12. Dezember 2023 im Freiburger Gemeinderat folgende Rede gehalten:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren
!

Mich fasziniert die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Sie krempelt Paris momentan verkehrsmäßig völlig um. Unmittelbar nach dem Ende der Olympischen Spiele 2024 soll die erste verkehrsberuhigte Zone eröffnet werden. Sie soll zunächst für das Zentrum der französischen Hauptstadt gelten und entspricht den ersten vier Arrondissements sowie Teilen der fünften bis siebten Arrondissements. Dieses ­Ge­biet soll nach den Plänen Hidalgos für den Durchgangsverkehr gesperrt, die „Olympia-Fahrspur“, die für den schnellen Transport der Athleten und Staatsgäste auf der Péripherique eingerichtet wird, nach Ende der Spiele in eine reservierte Fahrspur für Fahrgemeinschaften und öffentliche Verkehrsmittel umgewandelt werden. Dazu Anne Hidalgo: „Wir werden mehr Platz für Fußgänger, Fahr­räder und die Natur schaffen.“ Wohlgemerkt: Hidalgo ist keine Grüne, sondern Sozialistin! Und noch was: Viele Franzosen fühlen sich als direkte Nachfahren der französischen Revolutionäre von 1789, die alles, was von oben kommt, durchaus auch unter Einsatz von Gewalt, ablehnen. Bisher halten sich die Proteste aber in Grenzen. Und Paris ist nicht allein mit seiner Strategie. Viele, vor allem große Städte wie Barcelona, Wien, London, Kopenhagen versuchen mit ähnlichen Konzepten die Verkehrswende – ohne Tunnelbauten – umzusetzen und damit wieder lebenswert zu werden.

Und was machen wir? Wir versuchen doch allen Ernstes mit Lösungen aus den 1970er Jahren des Autoverkehrs Herr zu werden mit einem Autobahn-Tunnel mitten durch Freiburg mit zwei Vollanschlüssen. Sind wir noch ganz bei Trost? Zugegeben: Auch bei Freiburg Lebenswert und mir hat erst durch die immer dramatischeren Klimaauswirkungen ein Umdenken bezüglich des Stadttunnels stattgefunden. Aber wir waren bereit unsere Fehlmeinung zu korrigieren. Ich bin nun entsetzt, mit welch stoischer Ignoranz der weltweiten klimatischen Auswirkungen dagegen hier im Freiburger Gemeinderat und in der Verwaltung an Entscheidungen festgehalten wird, die völlig aus der Zeit gefallen sind. Man muss doch die gravierend veränderten klimatischen Rahmenbedingungen bei seinen Entscheidungen berücksichtigen. Der Tunnel würde nicht vor 2030 begonnen werden. Fünf Jahre später will Freiburg klimaneutral sein. Man geht davon aus, dass der Tunnel aber frühestens 2040 fertig würde. Und angesichts der heute üblichen Verzögerungen beim Bau von Flughäfen und Tiefbahnhöfen kann man getrost von weiteren Jahren bis zur Fertigstellung ausgehen.

Da weitgehend nur Freiburg von einem solchen Tunnel profitiert, müsste auch die mit dem Bau des Tunnels entstehende CO2-Belastung gerechterweise Freiburg zugerechnet werden. Wie will man diese jahrelange CO2-Belastung kompensieren? Der Tunnelbau würde Freiburg zudem über rund zehn Jahre erheblich mit Lärm, Dreck und Verkehrschaos belasten. Wie passt so ein Tunnel, der noch mehr Verkehr anziehen wird, zu den Zielen des Klimaschutzes und der Verkehrswende? Mit einem Tunnel werden doch keine Verkehrsprobleme gelöst, sondern nur neue geschaffen und zwar bei den Gemeinden in der Region, besonders in Buchenbach und Falkensteig, die heute schon unzumutbar unter der Verkehrsbelastung zu leiden haben. Und vor allem, was könnte man mit dem Geld für den Tunnel alles für sinnvolle Projekte der Verkehrswende umsetzen.

Wir sollten es doch schaffen, den Verkehr auf der B31 auf die Hälfte, besser auf ein Drittel, zu reduzieren, insbesondere den LKW-Transitverkehr. Dann könnten wir den Umbau der Dreisamuferstraßen zu einer grünen Lunge auch ohne Tunnel schaffen. Buchenbach und Falkensteig werden es uns danken.

Es wäre doch mal interessant zu sehen, was passiert, wenn Freiburg ankündigt, in drei Monaten wird auf den Dreisamuferstraßen eine Spur gesperrt, probeweise für einen Monat. Diese Spur dann nur für Fahrgemeinschaften, Rettungs- und Handwerker-Fahrzeuge. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns beim Verkehr neue Wege gehen, gute Beispiele gibt es weltweit genug!