Nun aber los!

Deutschland hat gewählt, die Koalitionsverhandlungen sind in vollem Gange. Wer immer am Ende die Regierung bildet sieht sich einer Herkulesaufgabe gegenüber, die keinen Aufschub mehr duldet: Der Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel. Diplomatie, Zögern und Kompromisse, fast immer zugunsten der Wirtschaft, waren bisher ständige Begleiter einer halbherzigen bis hin zu vollkommen lustlosen Klimapolitik. Die verlorenen Jahre sind nicht wiedergutzumachen. Angela Merkel hinterlässt der Nachfolgeregierung eine riesige Bürde.

Sicher, Kompromisse werden auch in der neuen Regierung Teil des politischen Alltags sein. Dies darf jedoch in Zukunft nicht weiter dazu führen, dass man sich irgendwo in der Mitte zwischen (fast) keinem Klimaschutz und wenig Klimaschutz findet. Solche Kompromisse hat es leider in der Vergangenheit zuhauf gegeben mit dem Ergebnis, dass die Welt nun dem Abgrund entgegensieht. Möglicherweise ist die neue Regierung die letzte, die das Schlimmste überhaupt noch verhindern kann.

Bauen ist klimaschädlich, was von der Politik gerne unter den Teppich gekehrt wird (Foto: K. U. Müller).

Um die Mammutaufgabe zu stemmen, eine Industrienation wie Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, müsste endlich der Bevölkerung gegenüber klar kommuniziert werden, dass Klimaschutz nicht zum Nulltarif und nicht ohne Änderung eines gewohnten Lebensstils zu erreichen ist. Am Ende ist dies allerdings immer noch billiger und angenehmer als nichts zu tun. Auch die Politik muss sich neu erfinden: Sämtliche Maßnahmen müssen in Zukunft den Klimaschutz im Blick haben. Die bisherige Praxis, hier ein Schräubchen zugunsten des Klimas zu drehen, an anderen Stellen aber die Schleusen zu dessen Lasten zu öffnen, muss der Vergangenheit angehören. So ist es einigermaßen bizarr, dass im Verkehrssektor die Emissionen trotz weit verbesserter Technik gestiegen sind. Nicht weniger bizarr ist, dass es im Bausektor nach Ansicht vieler Politiker keine Änderungen geben soll und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum weiterhin mit dem altunbewährten Mittel des Bauens auf Teufel komm raus erzielt werden soll. Dabei müsste doch längst bekannt sein, dass Bauen extrem klimaschädlich ist: Allein bei der Zementherstellung, weltweit sind es gut vier Milliarden Tonnen im Jahr, entsteht viel Kohlendioxid: 2,8 Milliarden Tonnen, rund acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Von den weiteren Emissionen, dem gigantischen Flächenverbrauch und den Auswirkungen auf das Artensterben gar nicht erst zu reden.

Neubaugebiet Hornbühl-Ost (Foto: K. U. Müller).

Auch Freiburg wird sich nicht länger aus dieser Verantwortung stehlen können. Der Verkehr macht 20 % der CO2-Emissionen in Freiburg aus und ist „das Sorgenkind der Klimaschutzpolitik“, so Baubürgermeister Martin Haag. Leider ist der Einfluss begrenzt. Ohne Anstrengungen auf Bundesebene wird eine Verkehrswende nicht zu schaffen sein. Anders hingegen im Bausektor. Das Potenzial zur Einsparung von CO2 wird von der Stadt nicht erwähnt. Aus gutem Grund, stehen doch die geplanten Baugebiete wie Dietenbach, wo ganz nebenbei im Überschwemmungsgebiet gebaut werden soll, Obergrün, Kleineschholz, Metzgergrün oder die Zähringer Höhe, wo wertvoller Naturraum zerstört wird, um nur ein paar Beispiele zu nennen, diesen Herausforderungen diametral entgegen.

Nicht nur die neue Bundesregierung ist in der Pflicht. „Global denken, lokal handeln“ ist einer der Leitsprüche von Freiburg Lebenswert. Die Stadt sollte sich diesen Spruch ebenfalls zu eigen machen.

An Lippenbekenntnissen fehlt es nicht, an der Umsetzung hat es bisher stets gehapert. Für die neue Regierung, wie auch für Freiburg gilt: Nun aber los!

Das Langmattenwäldchen. Hier sollen für den neuen Stadtteil Dietenbach ca. 4 Hektar Wald abgeholzt werden (Foto: K. U. Müller).

Siehe auch: https://www.badische-zeitung.de/der-verkehr-verhagelt-freiburg-die-co2-bilanz–print