Eine Eckbebauung in der Wiehre schlägt zum Jahreswechsel hohe Wellen. Unter der Überschrift „Verzweiflung im Stadtplanungsamt“ ist in der Badischen Zeitung (BZ) vom 30.12.2015 zu lesen, wie ein altes, denkmalwürdiges Haus in der Erwinstraße, Ecke Turnseestraße, abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden soll. Der Architekt, der gleichzeitig auch Teilhaber der Projektentwicklungsfirma ist, die dort bauen will, ist (im Auftrag eines Investors) damit auch Bauherr des geplanten Neubaus, das mehrfach vom Gestaltungsbeirat, von der Stadtverwaltung sowie vom Bürgerverein scharf gerügt worden ist. Am Architekten prallen offenbar allen Anregungen ab, was Stadtplanungsamtschef Roland Jerusalem dazu veranlasst, „ein Stück weit verzweifelt“ zu sein. Wenn er daran denke, dass das Gebäude tatsächlich so realisiert wird wie geplant, dann würde ihm „ganz anders“.
Nun wird im Rathaus, so die BZ, „fieberhaft überlegt, welche Möglichkeiten man noch habe, das Projekt zu unterbinden“. Denn dieses „drohe zum Präzedenzfall für weitere Planungen in der Wiehre zu werden“. Von der „Möglichkeit einer Gestaltungssatzung“ ist plötzlich die Rede. Doch die käme für das aktuelle Projekt dann – mal wieder – zu spät. Auch der Antrag auf Denkmalschutz wäre für das alte Gebäude eine wenig aufwändige Option gewesen.
Siehe in der BZ: http://www.badische-zeitung.de/freiburg/verzweiflung-im-stadtplanungsamt–131857174.html
Seit langen moniert Freiburg Lebenswert das Fehlen solcher Gestaltungssatzungen für Stadtteile mit alter, homogener Bausubstanz, wie die Wiehre, Neuburg oder Herdern. Dass dies nun beklagt wird, wenn das Kind „Stadtplanung“ mal wieder in den Brunnen gefallen ist, ist geradezu zynisch. Als Herr Jerusalem sein Amt antrat regte er solche Gestaltungssatzungen als dringend erforderlich an, wurde aber von OB Salomon und Baubürgermeister Haag energisch zurückgepfiffen, die den Bauträgern ihr Geschäft um nichts in der Welt erschweren wollten.
Die Tränen, die die Stadtverwaltung nun wegen des geplanten Neubaus in der Wiehre und angesichts des Fehlens einer Gestaltungssatzung vergießt, sind nichts anderes, als die berühmten Krokodilstränen. (Wikipedia: „Nach einer sagenhaften Vorstellung locken Krokodile ihre Opfer an, indem sie wie ein Kind weinten. Plinius der Ältere unterstellte in seiner ‚historia naturalis‘, die Krokodile weinten ihren Opfern nach, das heißt, heuchelten Trauer über ihre Beutetiere.“) Beute der Begierde ist mal wieder ein denkmalwürdiges Haus, das bald zerstört sein wird. Opfer ist das Stadtbild und sind die Bürger, die in dem Quartier leben. Nutznießer ist – mal wieder – ein Investor, der als Kapitalanleger an der Stelle nicht etwa den dringend nötigen bezahlbaren Wohnraum schafft, sondern höchstpreisige Appartements bauen darf.