âWie wirkt es sich auf die Laune der Menschen aus, wenn Wohnraum immer knapper, teurer – und hĂ€sslicher wird?â so der Untertitel einer Kolumne der Schriftstellerin und Dramaturgin Sibylle Berg, die am 1. September 2018 bei SPIEGEL Online veröffentlicht wurde. Die Presse scheint die HĂ€sslichkeit und Durchschnittlichkeit moderner Architektur in unseren StĂ€dten entdeckt zu haben, denn immer mehr Autoren kommen zu Wort und beschĂ€ftigen sich damit, was viele BĂŒrger in unseren StĂ€dten schon lange stört.
So schreibt Sibylle Berg bei SPIEGEL Online: âDer Mensch formt seine Umgebung, die Umgebung formt den Menschen. Meist ein Perpetuum des Grauens. Oft demonstrieren GebĂ€ude klischeeverstĂ€rkende RealitĂ€t: die Eleganz vieler italienischer Menschen, die solide quadratische Durchschnittlichkeit in Deutschland und der Schweiz. (âŠ) Doch meist sieht man die Mehrzahl der GebĂ€ude, die heute entstehen, der EffektivitĂ€t und den gröĂtmöglichen Gewinnaussichten fĂŒr die Bauherren folgen.â
Und sie beklagt die Unehrlichkeit von angeblichem Umweltbewusstsein bei den Bauvorschriften: âNatĂŒrlich irgendwie ökologisch, aber nicht zu sehr, nicht so sehr, dass man hĂ€ngende GĂ€rten errichten wollte. Man polstert einfach viereckige KĂ€sten gut ab. Setzt luftdichte Fenster in die Boxen ein, nicht zu groĂ, wegen des Energieverlusts.â
Die Autorin benennt auch das soziale Problem, das dahinter steckt: âDie GebĂ€ude, die meisten, die heute entstehen, sind zweckdienliche Zweckbauten, dem Zweck der Unterbringung von Konsumenten geschuldet, und formen den Menschen der Jetztzeit, der kontaktgestört durch ein Leben eiert, in dem Ăberleben das höchste Gut ist, MittelmaĂ der Status quo, denn alles, was aus dieser Mitte ragt, wird vom Schnitter erwischt. Die neuen, in jeder Hinsicht effizienten Menschenverwahrungsboxen sind Ausdruck einer an Verachtung grenzenden Lieblosigkeit. Was gibt es fĂŒr ein Land praktischeres als saubere, gut verstaute, mittelmĂ€Ăige Menschen, die Angst vor dem Verlust ihrer FuĂbodenheizung haben, und keine Vision davon, was Schönheit sein könnteâŠâ
Harte Worte sind das! Vielleicht zu hart?
Sie machen jedenfalls deutlich, woran es heute in der Stadtplanung fehlt: FĂŒr die Menschen lebenswert zu planen und zu bauen, mit Sinn fĂŒr die Schönheit in den StĂ€dten. Jeder möchte gerne in einem Altbau wohnen oder in kleinen, individuellen (Reihen-)HĂ€usern mit einem Dach und etwas Garten und GrĂŒn drum herum. Doch Architekten meinen heute, nur graue oder weiĂe Schuhschachteln entwerfen zu mĂŒssen â was den BautrĂ€gern entgegen kommt, da dies einfach und billig ist, aber gewinnbringend teuer verkauft werden kann.
Sibylle Berg (geboren 1962 in Weimar) ist eine bekannte deutsch-schweizerische Schriftstellerin und Dramatikerin. Sie schrieb bereits zahlreiche Romane, Essays, Kurzprosa, TheaterstĂŒcke, Reisereportagen, KĂŒnstlerportrĂ€ts, Glossen und Hörspiele und ist auch als Kolumnistin tĂ€tig. Sie gehört zu den UnterstĂŒtzern der Charta der Digitalen Grundrechte der EuropĂ€ischen Union und hat einen Lehrauftrag an der ZĂŒrcher Hochschule der KĂŒnste. Siehe auch: https://www.sibylleberg.com/de/es

