Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz

Dass die Lebensentwürfe, Wertvorstellungen, religiösen und kulturellen Hintergründe der Menschen immer vielfältiger werden ist nicht neu. Manche Menschen erleben dies als Bereicherung, von nicht wenigen anderen aber wird das auch als Last empfunden. Zunächst einmal ermöglicht Toleranz das friedliche Zusammenleben überhaupt erst. Aber was muss die Gesellschaft, was muss der Einzelne tolerieren? Und vor allem: wo liegen die Grenzen der Toleranz? Wann muss man sagen: Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz?

Die Toleranz, so schreibt der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck in seinem 2019 erschienen Buch über eben diese Toleranz, ist „nicht Gleichgültigkeit und nicht Versöhnlertum. Sie lehrt uns vielmehr, zu dulden, auszuhalten und zu respektieren, was wir nicht oder nicht vollständig gutheißen. Toleranz darf allerdings nicht schrankenlos sein. Nur wenn wir uns gegen die Angriffe von Intoleranten verteidigen – woher auch immer sie kommen mögen – kann Toleranz und mit ihr die Demokratie gesichert werden.“

Toleranz muss also ausgewogen sein. Jeder fordert heutzutage Toleranz für seine eigene Meinung ein, glaubt aber intolerant gegenüber der Meinung anderer sein zu können. Die Frage ist, wo die Grenze liegt? Wo müssen wir aufstehen und sagen „so nicht, hier ist eine Grenze erreicht!“ Michael Friedmann hat dies in einem Interview gegenüber dem ARD-Kulturmagazin ttt sehr treffend so ausgedrückt: Man kann lange über alles Mögliche diskutieren und Meinungen austauschen, aber wenn das Gegenüber mit einem Messer kommt und sagt „so wie ich es meine und nicht anders“, dann müsse man aufstehen und gehen. Dann ist der Punkt erreicht, an dem ein demokratischer Diskurs nicht mehr möglich ist.

Siehe dazu: https://www.facebook.com/TitelThesenTemperamente/videos/2055471784759052/

Bei der AfD und ihrem rechten „Flügel“, mit Mitgliedern aus dem rechtsradikalen Milieu, ist dieser Punkt erreicht. Der völkisch-nationale „Flügel“ ist dabei, den Einfluss auf diese Partei auszubauen und sie zu übernehmen. Es ist sehr bedauerlich, dass man deshalb heute wiederholen muss, was der aus Freiburg stammende Reichskanzler Joseph Wirth in einer Rede im Deutschen Reichstag am 25. Juni 1922 anlässlich der Ermordung des Reichsaußenministers Walther Rathenau gesagt hatte: „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. – Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts!“.

Siehe dazu z.B.:  https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/monitor/videosextern/machtkampf-in-der-afd-der-durchmarsch-des-fluegel-100.html

Oder:  https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/sendung-vom-14072019-100.html

Pulse of Europe Demonstration auf dem Augustinerplatz (Foto: R. Nabulsi)

Im Gegensatz zu 1922 muss man allerdings ergänzen: er steht vor allen rechts, aber auch überall dort, wo Gewalt als Mittel der Politik angesehen wird. Wie gesagt: Die Toleranz muss da aufhören, wo jemand bei einer demokratischen Diskussion „das Messer mitbringt“. In dem Moment gilt für alle gleichermaßen: Keine Toleranz gegenüber einer derartigen Intoleranz! Da spielt es dann auch keine Rolle, ob die gewaltbereite Intoleranz von Rechtsextremisten, Linksextremisten oder extremistisch-politischen Islamisten ausgeht.

Nun ist die AfD leider auch mit zwei Stadträten in den Freiburger Gemeinderat eingezogen. Einer der beiden ist wegen „Beleidigung in fünf Fällen“ verurteilt. Er ist in jedem Fall dem rechtsradikalen-nationalistischen „Flügel“ zuzurechnen. Die Statements unmittelbar nach der Wahl lassen vermuten, dass diese Partei im Gemeinderat zu einem demokratischen Diskurs nicht fähig sein wird und sie sich als Brandstifter aufführen und „das Messer mitbringen“ wird. Dann muss leider wieder Joseph Wirth zitiert werden, der sagte: „Der Feind (der Demokratie) steht rechts!“ – nun leider auch in Freiburg, der Heimatstadt Wirths.

Für eine parteiunabhängige, basisdemokratisch organisierte Wählervereinigung wie Freiburg Lebenswert (FL), ist es deshalb unerträglich und eine Zumutung, dass ihre Stadträte nun neben den Vertretern einer Partei platznehmen müssen, die gewaltbereite Rechtsextremisten in ihren Reihen duldet. FL folgt keiner Ideologie, sondern ist an kommunalen Sachthemen orientiert und hat auch im Gemeinderat immer konstruktive Sacharbeit geleistet. Bei der Wählervereinigung sind Mitglieder von „Die Linke“ genauso aktiv, wie Mitglieder der CDU oder ehem. Mitglieder der Grünen oder der SPD. In vielen Fragen (so z.B. auch bezüglich Migration und Asyl) hat sie sich ausgewogen und besonnen positioniert.

Siehe: https://freiburg-lebenswert.de/unser-programm/asylrecht-migration-integration/

FL möchte deshalb nichts, aber auch gar nichts mit antidemokratischen, rechtslastigen Parteien und Organisationen zu tun haben. Die FL-Gemeinderäte haben deshalb mehrfach darum gebeten, im Gemeinderat nicht neben der AfD sitzen zu müssen und dass die Bestuhlung entsprechend verändert wird. Dass diesem Wunsch nicht entsprochen werden konnte, bedauern wir sehr. Von allen wirklich demokratischen Parteien und Gruppierungen im Gemeinderat wurde dies übrigens bedauert. Überhaupt wird nun in vielen Fragen und bei manchen Abstimmungen die Solidarität aller Demokraten im Gemeinderat gefordert sein.

Im Wahlkampf 2019 unterwegs auf dem Wochenmarkt in Herdern (Foto: M. Managò)