WOHNUNGSPOLITIK

Für Soziale Durchmischung und den Erhalt bezahlbaren Wohnraums für alle Einkommensschichten

Aufgrund hoher Grundstückspreise und hoher Baukosten wird durch „Bauen auf Teufel komm raus“ vornehmlich hochpreisiger Wohnraum geschaffen, aber kaum bezahlbarer Wohnraum für untere und mittlere Einkommensschichten. Als Folge wird Freiburg zunehmend von Gutverdienern bewohnt, während Familien und untere Einkommensschichten ins Umland verdrängt werden (Gentrifizierung). Verstärkt wird dieser Effekt durch Abriss oder die Modernisierungen vorhandenen, bezahlbareren Wohnraums, der durch teuren Wohnraum ersetzt wird. Nur durch eine neue Wohnungspolitik – auch unter Einbeziehung der Umlandgemeinden – und durch erhebliche städtische Transferleistungen kann in Freiburg auf Dauer bezahlbarer Wohnraum erhalten bleiben. Freiburg Lebenswert sieht die Notwendigkeit für Ausgaben und Investitionen in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags für die Wohnungspolitik, vornehmlich für die Reduzierung der von der Stadt beeinflussbaren Grundstückspreise, für die Umorientierung der städtischen Wohnbaugesellschaft FSB sowie für Infrastrukturverbesserungen im Umland.

Wo liegen die Missstände der heutigen Wohnungspolitik?
Entgegen allgemeinem Empfinden wird am Freiburger Wohnungsmarkt der Mietpreis für Neubauwohnungen nicht durch Angebot und Nachfrage, sondern im Wesentlichen durch die Kostenmiete bestimmt. Dies gilt  weil – anders als z.B. im Gewerbeimmobilienmarkt – kein Überschuss an Wohnungen in Freiburg besteht. Dabei ist die Kostenmiete der Preis, bei dem es sich für den Vermieter gerade noch lohnt, neuen Wohnraum zu bauen und zu vermieten. Die Kostenmiete ist aber mittlerweile bereits so hoch, dass sie für viele Einkommensschichten kaum noch bezahlbar ist. Ursache dafür sind u.a. hohe Grundstückspreise, steigende energetische Auflagen und durch die hohe Nachfrage nach Bauleistungen überdurchschnittlich gestiegenen Baukosten.

Mit „Bauen auf Teufel komm raus“ wird folglich zwar ein Mehr an Wohnraum, aber entgegen landläufiger Meinung kein Mehr an bezahlbarem Wohnraum geschaffen. Es entsteht im Gegenteil eher hochpreisiger Wohnraum und vermehrt Luxuswohnraum.

Hinzu kommt, dass der aktuell noch vorhandene bezahlbare Wohnraum in Freiburg zunehmend durch Abriss oder Modernisierung vernichtet und durch teuren Wohnraum ersetzt wird. Nach einer Modernisierung müssen viele Mieter ihre Wohnung verlassen, weil sie die erhöhten Mieten nicht mehr zahlen können.

Beide Tendenzen, also die hohen Mieten aufgrund hoher Neubaukosten und die Vernichtung bezahlbaren Wohnraums durch Abriss oder Modernisierung führen dazu, dass weniger einkommensstarke Bevölkerungsschichten sowie inzwischen auch durchschnittlich verdienende Familien sich die Stadtlage in Freiburg nicht mehr leisten können und in das Umland der Stadt ziehen müssen. Der durch Neubau oder Modernisierung entstehende hohe Quadratmeterpreis schafft wirtschaftliche Mauern, die für viele ein Leben im Stadtbereich von Freiburg zunehmend unerschwinglich macht.

Dieser Effekt ist unter dem Namen „Verdrängung“ oder „Gentrifizierung“ bekannt und führt dazu, dass die soziale Durchmischung der Städte und Stadtteile verloren geht und tendenziell nur noch wohlhabende Menschen in den Städten leben können.

Beschleunigt wird dieser Effekt dadurch, dass Freiburg annähernd doppelt so schnell wächst wie jede andere Großstadt in Baden-Württemberg. Es ist empirisch bewiesen, dass die Mieten umso schneller steigen, je schneller eine Stadt wächst. Und je schneller eine Stadt wächst, umso interessanter wird sie für Kapitalanleger und Bauträger, die lukrative Bauprojekte mit sicheren und langfristig steigenden Mieterträgen suchen.

Der Bau eines neuen Stadtteils ist aus den beschriebenen Gründen keine Lösung für die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums. So gehören die ehemals neuen Stadtteile Vauban und Rieselfeld laut Mietspiegel heute zu den teuersten Stadtteilen in Freiburg, teurer als die Stadtteile Wiehre oder Herdern.  Im Übrigen würde der neue Stadtteil aufgrund der immens langen Vorlaufzeiten eines solchen Großprojektes erst dann zur Verfügung stehen, wenn er aufgrund der absehbaren demographischen Entwicklung kaum noch benötigt wird.

Welche Vorschläge hat FL zur Lösung des wohnungspolitischen Problems?

Eine Wohnungspolitik, die die soziale Durchmischung und die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums für alle Einkommensschichten zum Ziel hat, muss deshalb intelligentere Wege finden, als nur zu wachsen und plump „auf Teufel komm raus“ zu bauen. Dazu gehört auch, die derzeitig aktiv betriebene Stadtvermarktung – mit dem Ziel möglichst viele Neubürger nach Freiburg zu locken – auf das Maß herunterzufahren, das die Stadt unter dem Aspekt bezahlbarer Mieten nachhaltig verkraften kann.

Für den aktuell bestehenden Bedarf müssen vorhandene Bauflächen zeitnah – und nicht erst in 10 oder 15 Jahren – dem Wohnungsmarkt zugeführt werden. Dies kann durch eine Erweiterung bestehender Bau- und Wohngebiete mit vorhandener Infrastruktur geschehen sowie teilweise auch durch eine maßvolle und stadtbilderhaltende Innenentwicklung. Vorhandener, bezahlbarer Wohnraum muss erhalten bleiben.

Zudem müssen Wege gefunden werden, auch die Umlandgemeinden in die Bewältigung des Bevölkerungswachstums in der Region Freiburg einzubeziehen. Dazu gehört der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in das Umland von Freiburg sowie die Verbesserung der Infrastruktur in den Umlandgemeinden, wie z.B. die Bereitstellung eines ausreichenden Angebots von weiterführenden Schulen in diesen Gemeinden.

Um der Verdrängung bzw. Gentrifizierung im Stadtgebiet entgegenzuwirken, müssen wir an den zentralen Stellschrauben dieser Entwicklung ansetzen. Dies braucht eine erhebliche finanzielle Beteiligung aus dem Freiburger Finanzhaushalt.

1.    Hohe öffentliche Grundstückspreise können z.B. dadurch reduziert werden, dass man die Erschließungskosten für neues Bauland nicht auf den Grundstückspreis umlegt, sondern über die Gemeinschaft aus Steuermitteln finanziert.

2.    Städtische Grundstücke dürfen – wenn überhaupt – nicht mehr an den Meistbietenden verkauft werden, sondern müssen unter Bürgerbeteiligung nach sozialen und städtebaulich sinnvollen Kriterien vergeben werden, wie das z.B. in Hamburg, Tübingen, Berlin, Jena oder Stuttgart praktiziert wird. Die daraus entstehenden Ertragsverluste (in Stuttgart z.B. 20 Millionen Euro) stellen Investitionen für bezahlbaren Wohnraum und damit für die Zukunft der Stadt dar und werden langfristig mehr einbringen als sie kosten.

3.    Änderungen an Bebauungsplänen, die zu einer Aufwertung privater Grundstücke führen, sollten nur dann genehmigt werden, wenn damit ausschließlich sozial ausgerichtete Bauträger wie z.B. städt. Baugesellschaften, Baugenossenschaften oder Baugemeinschaften zum Zuge kommen und dauerhaft bezahlbarer Wohnraum für die unteren und mittleren Einkommensschichten errichtet werden. Im Falle des Brielmann-Areals hätte dieser Leitsatz dazu geführt, dass die Stadt die Fläche gekauft und unter Hinnahme eines wirtschaftlichen Verlusts einer städtebaulich sinnvollen Verwendung zugeführt hätte. Stattdessen wurde das Gelände einer in Bezug auf Stadtbild und Stadtentwicklung unakzeptablen Verwertung durch einen freien Bauträger überlassen.

4.    Eine besondere Rolle muss der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) zugewiesen werden. Der bislang praktizierte Kurs einer Renditeoptimierung muss grundlegend geändert und durch eine massiv an den sozialen Bedürfnissen der mittleren und unteren Einkommen orientierte Wohnraumbereitstellung ersetzt werden. Dies betrifft sowohl die Mietpreisgestaltung im Bestand und für Neubauten, als auch Mietpreisanpassungen nach Renovierung von Bestandswohnungen. Entstehende Unterdeckungen müssen durch Zuschüsse seitens der Stadtkasse gedeckt werden.

5.    Eine Haushaltssanierung oder Ertragsverbesserung durch den Verkauf städtischer Wohnungen oder ein Verkauf der FSB selbst (wie im Jahre 2006 durch die Stadtverwaltung vorgeschlagen und glücklicherweise durch einen Bürgerentscheid verhindert), muss in jedem Fall unterbleiben.

Im Gegensatz zur von Bauträgern und Investoren getriebenen Leitdevise „Bauen auf Teufel komm raus“ schaffen die oben genannten wohnungspolitischen Grundsätze tatsächlich ein Mehr an bezahlbarem Wohnraum. Die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums, die Förderung der sozialen Durchmischung und die Bekämpfung von Verdrängung bzw. Gentrifizierung sind oberste Aufgabe von Stadtpolitik. Dies wird die Stadtkasse erhebliche Summen kosten, die sich über die nächsten Jahre auf einen zweistelligen Millionenbetrag aufsummieren werden. In den großen Städten Hamburg und Köln werden dafür jährlich sogar Beträge bis ca. 100 Mio. Euro investiert. Diese Investitionen sind aber wichtig sowohl für eine glaubwürdige Politik in der Gegenwart als auch aus der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen.