Was bringt die Ampel?

Die Koalitionsverhandlungen sind beendet, die neue Regierung wurde am 8.12.2021 vereidigt. Ist damit der Startschuss zu einem entschlossenen Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel gefallen? Die Erwartungen an die neue Regierung sind hoch. Zu tun gibt es nach dem Stillstand der vorangegangenen Regierungen wahrlich genug: Die Verkehrswende muss auf den Weg gebracht werden, der Kohleausstieg gelingen. Und dann müssen auch noch die Bürger mitgenommen werden, deren Akzeptanz nach wie vor gering ist, vor allem wenn es an die eigenen Gewohnheiten und den eigenen Geldbeutel geht. Die gute Nachricht: Die neue Regierung hat den Klimaschutz zur zentralen Aufgabe erhoben. Das Wirtschaftsministerium ist gleichzeitig ein Klimaministerium; Entscheidungen können nicht mehr gefällt werden, ohne wenigstens den Klimaschutz im Blick zu haben. Dann setzt der geplante Ausbau erneuerbarer Energien und der Kohleausstieg 2030 positive Akzente. Auch dürften einige personelle Veränderungen, z. B. beim Landwirtschaftsministerium zu einer Verbesserung beitragen.

Defizite im Verkehrssektor

Wenig Hoffnung im Verkehrssektor (Foto: K. U. Müller).

Die schlechte Nachricht: Gemessen an der gebotenen Eile und an dem, was eigentlich notwendig wäre, bietet auch der Koalitionsvertrag zu wenig. Dünn fällt die Bilanz im Verkehrssektor aus. Die große Enttäuschung gab es bereits zu Beginn der Verhandlungen: Auf ein allgemeines Tempolimit wurde verzichtet, obwohl bei einem Tempolimit von 130 km/h bereits 1,9 Millionen Tonnen weniger CO2 in die Luft geblasen würden, bei einer Begrenzung auf 120 km/h wären es bereits 2,6 Millionen Tonnen. Sicher, ein Tempolimit allein rettet nicht das Klima, wäre aber kurzfristig und kostengünstig zu haben. Hier setzt die Ampel-Koalition unter FDP-geführtem Verkehrsministerium allein auf eine Antriebswende, also weg vom herkömmlichen Verbrennungsmotor hin zu anderen Antriebsarten. Für eine echte Verkehrswende leider vollkommen unzureichend, zumal die Zahl der Autos im Land Jahr für Jahr weiter zunimmt. Da die Autos immer größer und schwerer werden, steigt auch die Feinstaubbelastung durch Bremsabrieb und der Anteil von Mikroplastik durch den Reifenabrieb. Da hilft auch die Umstellung auf E-Autos nicht.

Keine Änderungen beim Wohnungsbau

Auch beim Bauen gibt es schlechte Nachrichten: 400.000 Wohnungen will die Ampel pro Jahr bauen. Wieder einmal soll die Schaffung von Wohnraum mit dem Mittel des Neubaus bewältigt werden. Wieder einmal wird vollkommen ausgeblendet, dass das Bauen insgesamt in hohem Maße klimaschädlich ist. Daran ändert auch der soziale Zweck der Wohnraumschaffung nichts. Zur Verdeutlichung: Immobilien sind für 40 % der jährlichen CO2-Emissionen weltweit verantwortlich, allein die Zementherstellung sorgt für 8 %. Ein Großteil der Emissionen entsteht bereits bei der Erzeugung von Baumaterialien, vor allem Beton, Stahl und Aluminium haben eine schlechte Bilanz. 70 % der nicht fossilen Rohstoffe werden für das Bauen verwendet. Der Hunger nach Rohstoffen ist immens. Vor allem nach Sand. Für die Herstellung von Beton eignet sich nur Meeressand; Wüstensand ist vom Wind zu rund geschliffen, er kann daher nicht am Zement anhaften. Demgemäß wird enorm viel Meeressand abgebaut mit katastrophalen ökologischen Folgen. Und die Nachfrage nach Sand ist in den letzten 30 Jahren um 360 % gestiegen, Tendenz steigend. Auch wenn Deutschland freilich nicht der Hauptkonsument ist (das sind die schnell wachsenden asiatischen Länder), gäbe es auch hierzulande allen Grund, beim Bauen einen anderen Weg einzuschlagen. Zu nennen wäre vor allem der gigantische Flächenverbrauch. So verschwinden in Deutschland nach wie vor mehr als 50 ha Land, das sind ca. 73 Fußballfelder mittlerer Größe, unter Beton und Asphalt. Nicht pro Jahr, auch nicht pro Monat, sondern pro Tag!

Kritik aus den Medien

Ermutigend dabei ist, dass diese Pläne in den Medien nicht unkommentiert blieben. So mahnt die FAZ am 14.12.2021 unter dem Titel „Jetzt bloß nicht zu viel bauen“ unter Berufung auf eine neue Studie des Analysehauses Empirica den viel zu hoch angesetzten Wohnungsbedarf an und weist auf den gestiegenen Leerstand seit 2006, nicht nur in den ländlichen Regionen, sondern inzwischen auch in den Schwarmstädten hin.

Ödnis in Beton (Foto: K. U. Müller).

Auch die Süddeutsche Zeitung nahm sich am 15.12.2021 unter dem Titel „Bitte keinen Mist bauen“ des Themas an, ebenfalls unter Infragestellung des angeblich hohen Wohnraumbedarfs und unter Hinweis auf die CO2-Problematik. Nach Ansicht der Autorin Laura Weißmüller besteht wenig Hoffnung, dass im neuen Bauministerium unter Leitung von Ministerin Klara Geywitz (SPD) so etwas wie Aufbruch herrsche. „Hat man dort begriffen, was sich ändern muss, damit Deutschland nicht weiter zubetoniert wird mit seiner an Ödnis kaum zu übertreffender Architektur?“ Scharf kritisiert wird auch die Förderungsmentalität: „Diesen Milliarden Euro teuren Förderungswahnsinn, der nur der Bauindustrie zugute kam und Umweltzerstörung praktisch vorschrieb, hatten wir schon. Er nannte sich Baukindergeld.“ Weiter heißt es: „Wie Wohnungsbau aussieht, der Profit bringt, zeigt fast jedes Neubauquartier in Deutschland. Dieses Land hat nun etwas Besseres verdient als eine solche Ödnis.“

Freiburg

Und was macht Freiburg? Baudezernat und die große Mehrheit im Gemeinderat liegen ganz auf Linie der Ampel mit SPD-Ministerin Geywitz. Die städtischen Klimaziele sind jedoch mit dieser Baumentalität nicht zu erreichen. Und leider ist auch in Freiburg die Baukultur an einem Tiefpunkt angelangt.

Fazit

Auch unter der neuen Regierung können sich Umwelt- und Klimaaktivisten keineswegs zur Ruhe setzen. Freiburg Lebenswert wird sich weiterhin für einen verbesserten Klimaschutz, vor allem für eine städtische Verkehrswende, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ohne ausufernden Neubau und für eine andere Baukultur einsetzen. So wie es Laura Weißmüller in dem SZ-Artikel auf den Punkt bringt: „Nötig ist im Moment eine Bauwende – nicht das Ölen einer seit Jahrzehnten falsch justierten Bau- und Wohnungswirtschaft.“ Recht hat sie. 

Bedenkliche Baukultur in der Wiehre (Foto: K. U. Müller).