Umstrittenes Denkmalschutzgesetz in NRW verabschiedet

Trotz zahlreicher Proteste wurde am 6.4.2022 ein neues Denkmalschutzgesetz für Nordrhein-Westfalen verabschiedet. Da halfen alle Appelle und Petitionen nichts. Ohne Not sei nach Ansicht der Kritiker das bestehende gut funktionierende Denkmalschutzgesetz geändert worden.

Die Änderungen sind gering, die Auswirkungen möglicherweise gravierend: Künftig sollen nicht mehr unabhängige Denkmal-Experten darüber entscheiden, wie in NRW ein Denkmal saniert, umgebaut oder möglicherweise auch abgerissen wird. Diese Entscheidung liegt nun bei der Gemeinde, deren Angestellte nicht einmal dafür wissenschaftlich qualifiziert sein müssen. Die Denkmalfachbehörde soll künftig nur noch angehört werden. Doch gerade mit dieser Schwächung der Fachleute dürfte eine gravierende Schwächung des Denkmals einhergehen, zumal je nach Gemeinde auch Bürgermeister entscheiden können. Und die haben oft anderes vor. Nicht selten dürfte künftig der Abriss stehen.

Laut Befürworter der Neuregelung sollen die Belange des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit mehr berücksichtigt werden. Eine von der Landesregierung 2020 in Auftrag gegebene Evaluation gab jedoch dem 42 Jahre alten Gesetz gute Noten. Seit Monaten warnt auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz davor, Fremdinteressen in ein Denkmalschutzgesetz aufzunehmen. So konnte DSD-Vorstand Dr. Steffen Skudelny 24.000 Unterschriften gegen das „Denkmal-NICHT-Schutzgesetz“ an die Landesregierung NRW überreichen. Gebracht hat es am Ende nichts: Mit einer Ein-Stimmen-Mehrheit von CDU und FDP wurde das neue Denkmalschutzgesetz verabschiedet.

Das denkmalgeschützte Ratsstüble wurde 2016 abgerissen – ein Tiefpunkt im Freiburger Denkmalschutz (Foto: K. U. Müller)

Dass die Sorgen berechtigt sind, zeigt die Erfahrung aus Baden-Württemberg, insbesondere aus Freiburg. Das Denkmalschutz BW zählt zu den Schlechtesten in Deutschland. Das Landesamt für Denkmalpflege mit Sitz in Esslingen am Neckar ist chronisch unterbesetzt und kaum noch durchschlagskräftig. Bauinteressen setzen sich damit häufig gegen den Denkmalschutz durch – gerade in einer Stadt wie Freiburg, wo der Denkmalschutz dem Baubürgermeister und der Mehrheit im Gemeinderat ganz offensichtlich egal ist.

Auch kann nicht überzeugen, dass die Neuerungen beim Denkmalschutzgesetz NRW dem Klima helfen sollen. Bei nur 1,5 % denkmalgeschützter Gebäude in NRW kann hier der Kampf gegen den Klimawandel nicht gewonnen werden, zumal auch ein Denkmal in gewissem Rahmen klimatechnisch ertüchtigt werden kann. Weitaus gravierender sind die Emissionen durch den Autoverkehr, der mit Neubebauung weitab von Stadtzentrum zunimmt (siehe dazu unser Webinar vom 1.2.2022). Und die Energiebilanz alter Gebäude ist sogar besser als die von Neubauten, wenn man die Energie für Abriss und Neubau miteinrechnet. „Wenn man abreißt und neu baut, dauert es 125 Jahre, bis sich ein Neubau amortisiert“, wie DSD-Vorstand Dr. Steffen Skudelny in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung am 19.4.2022 zitiert wird.

Mit dieser Neuregelung stellt Nordrhein-Westfalen sein kulturelles Erbe zur Disposition. Dabei ist auch zu befürchten, dass dieser Schritt im bevölkerungsmäßig größtem Bundesland Signalwirkung für ganz Deutschland hat und die Abrissbirne hoch häufiger zum Einsatz kommt. Freiburg Lebenswert hat bereits vor fünf Jahren einen Entwurf zur Verbesserung des Denkmalschutzgesetzes Baden-Württemberg bei der Landesregierung eingereicht. Leider wurden unsere Vorschläge in Stuttgart verschleppt mit der Folge, dass Baden-Württemberg ein Kulturgut nach dem anderen verliert.

Bedauerlich, denn mit dem Abriss eines Altbaus gehen nicht nur ein Stück Zeitgeschichte, sondern auch Charme und Gesicht einer Stadt oder eines Dorfes verloren. Freiburg Lebenswert wird sich daher weiterhin für Verbesserungen im Denkmalschutz einsetzen. Diese hat Freiburg dringend nötig.

Das Dreikönigshaus, eines der ältesten Häuser in der Schwarzwaldstraße (Foto: K. U. Müller), soll weichen, um für den Stadttunnel Baumaterialien zu lagern. 2015 brannte der Ostteil, der sogleich in einer Nacht- und Nebelaktion abgerissen wurde. Das Foto ist inzwischen historisch, das Haus rechts wurde ebenfalls heimlich, still und leise abgerissen.
Die Villa in der Wintererstraße fiel ebenfalls Partikularinteressen des bauwilligen Eigentümers zum Opfer (Foto: K. U. Müller).

Siehe auch:

Informationen zum neuen DenkmalschutzG NRW auf der Seite Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Beim Denkmalschutz muss sich was ändern

Wenn der Abrissbagger kommt