Politische Verantwortung

Gerne veröffentlichen wir hier einen Brief von Herrn Adalbert Häge, den dieser anlässlich des Bürgerentscheids zum SC-Stadionneubau im Wolfswinkel an Freunde und Bekannte geschrieben hat. Herr Häge war früher Stadtplaner in Freiburg und später Chef der Badenova. Er ist in der Stadtpolitik sehr erfahren und sein Wort hat in Freiburg Gewicht. In seinem Brief stellt er vor allem die Frage nach der politischen Verantwortung. Es lohnt sich, seine Argumente und Warnungen zu lesen:

Liebe Freundinnen und Freunde,

am Sonntag, den 1. Februar 2015, findet ein Bürgerentscheid zum geplanten SC-Stadion statt.

Es gibt vier gute Gründe an diesem Bürgerentscheid teilzunehmen und mit „Nein“ zu stimmen auch wenn man begeisterter Fußballfan und Anhänger des SC Freiburg ist:

1. Der Bau eines neuen SC-Stadions löst nicht die Probleme des SC Freiburg.

2. Für den Bau des neuen SC-Stadions werden Steuergelder in zweistelliger Millionenhöhe verwendet und die Stadt Freiburg übernimmt eine Bürgschaft ebenfalls in zweistelliger Millionenhöhe, obwohl die Förderung des Profisports nicht zu den Aufgaben der Stadt Freiburg gehört und der SC Freiburg sich beharrlich weigert, seine Finanzen offen zu legen.

3. Das sogenannte Finanzierungskonzept (Anlage 3 zur Gemeinderatsdrucksache G-14/183), über welches die Bürger entscheiden, ist in Wahrheit kein Finanzierungskonzept, sondern ein Blanko-Scheck für die Stadt Freiburg mit hohen finanziellen Risiken.

4. Es geht bei diesem Bürgerentscheid darum, die politische Verantwortung im Falle eines Desasters auf die Bürger abzuwälzen.

Dazu nun im Einzelnen:

Zu 1. Die sportlichen Erfolge des SC Freiburg sind eine Berg- und Talfahrt mit ungewissen Aussichten.
Das Hauptproblem des SC Freiburg besteht darin, dass regelmäßig seine besten Spieler nach einer erfolgreichen Saison abgeworben werden. Deshalb droht ständig der Abstieg in die zweite Liga. Ein neues Stadion ändert nichts an diesem Problem.

Zu 2. Selbst wenn man unterstellt, dass der Kostenrahmen im sogenannten Finanzierungskonzept (Anlage 3 zur Gemeinderatsdrucksache G-14/183) der Stadt Freiburg eingehalten wird,
http://www.freiburg.de/pb/site/Freiburg/get/757188/Anlage3_Drucksache_G-14_183.pdf
wird sofort mit Beginn der baulichen Maßnahmen ein insgesamt zweistelliger Millionenbetrag benötigt zur Schaffung der Infrastruktur für den Bau des geplanten SC-Stadions. Schon jetzt wurden von der Stadt Freiburg sämtliche als notwendig betrachteten Sanierungsmaßnahmen für Schulen gekürzt bzw. gestrichen. Fußball ist eine schöne Sache, aber die wirtschaftliche Zukunft der Bundesrepublik Deutschland hängt nicht vom Fußball ab, sondern von der Ausbildung seiner Bürger! Außerdem hat die EU-Kommission klargestellt, dass die finanzielle Unterstützung von Profifußballvereinen rechtswidrig ist: http://www.schleswig-holstein.de/MIB/DE/KommunalesSport/Downloads/profifussball__blob=publicationFile.pdf
Man mag die „Einmischung“ der EU in nationale Angelegenheiten gut finden oder nicht. Wenn die EU-Kommission die Finanzierung des SC-Stadions untersucht und zu dem Ergebnis kommt, dass die Schaffung der Infrastruktur und die Übernahme der Bürgschaft eine rechtswidrige Beihilfe darstellt, bricht das ganze sogenannte Finanzierungskonzept wie ein Kartenhaus zusammen: Im worst case ist der SC Freiburg danach insolvent und die
Stadt Freiburg hat ein Stadion, das niemand wirklich braucht.

Zu 3. Das sogenannte Finanzierungskonzept der Stadt Freiburg verschleiert sämtliche Risiken. Bei einer seriösen Finanzierung eines solchen Projektes wie der Neubau des SC-Stadions müssten mindestens folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Der SC Freiburg müsste eine detaillierte Planung vorlegen, der SC Freiburg müsste dem Geldgeber gegenüber seine finanziellen Verhältnisse offen legen, der Geldgeber müsste Sicherheiten erhalten und der Geldgeber müsste einen Einfluss auf die weitere Geschäftstätigkeit des SC Freiburg erhalten, solange dieser seine Schulden noch nicht abgezahlt hat.
Beim sogenannten Finanzierungskonzept der Stadt Freiburg ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Es gibt keine Bezugnahme in diesem Dokument auf irgendeine Planung, es wird nur mit ein paar Zahlen herumgewirbelt ohne irgendwelche Belege. Es gibt keinen Tilgungsplan, es gibt keine best-case oder worst-case Szenarien für die sportlichen Erfolge des SC Freiburg und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Einnahmen des SC Freiburg. Es gibt auch keine Abschätzungen darüber, welche Folgen sich aus Verzögerungen beim Bau des geplanten Stadions ergeben. Der SC Freiburg legt seine finanziellen Verhältnisse nicht offen, weder die Stadt Freiburg noch der Gemeinderat kennen diese. Der SC Freiburg legt noch nicht einmal die genauen Zuschauerzahlen und die sich daraus ergebenden Einnahmen offen. Über Sicherheiten verliert das sogenannte Finanzierungskonzept kein einziges Wort. Und eine Einflussnahme der Stadt Freiburg auf die Geschäftstätigkeit des SC Freiburg würde voraussetzen, dass der SC Freiburg in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird, denn ein eingetragener Verein ist kaum kontrollierbar. Kein Risikokapitalgeber würde einem eingetragenen Verein ohne Sicherheiten finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, die Stadt Freiburg macht dies: Es sind ja nur Steuergelder.

Zu 4. An sich ist ein Bürgerentscheid eine gute Sache. Das setzt aber voraus, dass die Bürger von der Stadtverwaltung objektiv und umfassend informiert werden und dass genügend Zeit für die Meinungsbildung vorhanden ist. Dieser Bürgerentscheid ist viel zu kurzfristig und objektive Informationen von Seiten der Stadtverwaltung findet man auch nicht.  Die Stadt Freiburg und der Stadtrat möchten mit dem Bürgerentscheid nur die politische Verantwortung auf die Bürger abwälzen. Jeder im Stadtrat und jeder der Verantwortlichen in der Stadtverwaltung weiß oder müsste wissen, dass der geplante Neubau des SC-Stadions mit großen Risiken verbunden ist. Dennoch unterdrücken diese Leute ihre Zweifel und machen mit,  sei es weil sie sich Wählerstimmen erhoffen oder weil sie glauben, auf der Seite der Gewinner zu sein. Auch wenn die Bürger der Stadt Freiburg eine Entscheidung treffen, die sich hinterher als desaströs herausstellt, weil sie systematisch desinformiert worden sind, werden die politisch Verantwortlichen sagen: Wir können nichts dafür, es war eine demokratische Entscheidung der Bürger.

Zur Zeit läuft eine riesige Werbekampagne für den Neubau des SC-Stadions. Denkt daran: Alle diese Versprechungen und Behauptungen sind Schall und Rauch. Sie sind rechtlich nicht verbindlich. Niemand ist daran gebunden, weder die Stadt noch der Stadtrat.

Ihr entscheidet nur, ob  das sogenannte Finanzierungskonzept eine Grundlage für den Neubau des Stadions sein soll. Das ist wie ein Blanko-Scheck, denn eine Grundlage ist dieses sogenannte Finanzierungskonzept auch dann, wenn sich die Kosten auf der Grundlage eines Konzepts verdoppeln.

Zeigt dem OB und der Stadtverwaltung die rote Karte und stimmt mit „Nein“ !

Herzliche Grüße,

Adalbert Häge

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Parteiunabhängige und basisdemokratisch organisierte Wählervereinigung engagierter Bürger