Salomons Demokratieverständnis

Im „Staatsanzeigers BW“ vom 29.09.2017 (einem Regierungs- und Bekanntmachungsblatt, das als „Wochenzeitung für Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg“ in Stuttgart erscheint) ist ein Interview mit unserem Freiburger OB Dieter Salomon erschienen. Unter der Überschrift „Städte werden Opfer der Basisdemokratie“ kritisiert Salomon die Ausweitung von Bürgerentscheiden. Er findet das nicht nur mühsam, sondern bezeichnet Bürgerbefragungen als „völlig kontraproduktiv“ und „destruktiv“ uns spricht von „bitteren Erfahrungen“ mit diesem demokratischen bürgerlichen Recht.

Zu der Frage, wieviel Bürgerentscheide sinnvoll sind oder wie weit man Demokratie ausgestalten soll/kann,  gibt es sicher gute Argumente von beiden Seiten . Aber so, wie Salomon  sich und sein Amt über ein (wie auch immer ausgestaltetes) demokratisches Recht stellt, das ist nicht nur kritikwürdig, sondern wird von vielen Bürgern als typisch für ihn und als arrogant empfunden. Es entspricht keiner demokratischen Gesinnung . Selbst der Ministerprädident Winfried Kretschmann hat ihn dafür schon kritisiert (siehe: https://freiburg-lebenswert.de/kretschmann-liest-salomon-die-leviten/).

Alle Gegner des Stadionbaus im Wolfswinkel haben den Bürger-Entscheid dazu immer akzeptiert, auch wenn sie natürlich jetzt auf rechtlichen Genehmigungen, Gutachten etc. bestehen und auf Gesetzesverstöße aufmerksam machen. Im Gegensatz dazu will unser OB Salomon aber gar keine Bürgerentscheide, um möglichst ungestört und ungefragt regieren zu können.

Hier einige Zitate aus dem Interview im Staasanzeiger:

Salomon: „… Man muss damit leben, dass man als Kommunalpolitiker nur einen Teil der Menschen erreicht – trotz aller Bürgerbeteiligung. Viele Menschen interessieren sich nicht für Kommunalpolitik und lesen auch keine Lokalzeitung oder andere seriöse Quellen. Manche glauben, dass sie durch Facebook bestens informiert sind. Da kann man schon manchmal kulturpessimistisch werden, aber man muss einfach immer wieder informieren und nacharbeiten und den Leuten klarmachen, worum es im Einzelfall geht.“

Staatsanzeiger: „In dem Zusammenhang ist die Ausdehnung der Bürgerentscheide auf die Bauleitplanung sicher kontraproduktiv, gegen die ja auch der Städtetag war.“

Salomon: „Ja, ich halte das politisch für völlig kontraproduktiv. Mein Kollege Stefan Schlatterer, der Oberbürgermeister aus unserer Nachbarstadt Emmendingen, hat damit letztes Jahr eine bittere Erfahrung gemacht. Noch die Planungen konkret werden konnten, war das Projekt bereits versenkt.“

Staatsanzeiger: „Sie spielen auf das Neubaugebiet an, das in der Planungsphase durch einen Bürgerentscheid gekippt wurde. Allerdings haben Ihre Parteifreunde diese Möglichkeit durchgesetzt.“

Salomon: „Diese Haltung rührt zum Teil aus der Geschichte der Grünen her. Sie sind einst gegen die etablierten Parteien, gegen den – wie sie damals empfunden haben – repressiven Staat angetreten. Wenn man diese Protesthaltung beibehält, obwohl man selber regiert, dann wird man schnell selber Opfer des Protests. Das öffnet Tür und Tor für diejenigen, denen sowieso nichts passt und die jede Entwicklung ablehnen. Das geschieht oft aus einer destruktiven Grundeinstellung heraus. Aber mit so einer Haltung kann man nicht regieren, als Bürgermeister will man schließlich etwas gestalten, die Dinge bewegen, die Stadt voranbringen.“

FL-Mitglied Ulrich Glaubitz

Unser Mitglied und 2. Vorsitzender des Vereins Freiburg Lebenswert e.V., Ulrich Glaubitz, hat einige Anmerkungen als Disskussionsbeitrag dazu verfasst, die wir mit seinem Einverständnis hier gerne veröffenlichen möchten:

1.) Das Beispiel Emmendingen kann man auch ganz anders sehen. Noch bevor die Exekutive mit Steuergeldern teure Tatsachen schaffen konnte, haben die Bürger die klassische „Ob-Frage“ („Sind Sie gegen die geplante Bebauung?“) gestellt und mit einer Dreiviertelmehrheit das vom Gemeinderat abgesegnete Projekt gestoppt. (http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/emmendinger-stimmen-gegen-neuen-stadtteil–124956990.html)

Wer das lediglich eine „bittere Erfahrung“ nennt, der zeigt, daß er das Bürgermeisteramt nicht als einen Dienst zugunsten der Interessen der Bürgerschaft ansieht sondern als ein neufeudalistisches Exekutivorgan, das hier von Bürgern behindert wurde. Weil es immer wieder in der Berufspolitik Charaktere gibt, die mit Ihrer Amtsmacht auch andere Dinge vorhaben als der Bevölkerung zu dienen ist es nicht „kontraproduktiv“ sondern demokratiepraktisch gesehen äußerst notwendig, dieses direktdemokratische Kontrollinstrument anwenden zu können, um die Gewaltenteilung zu stärken.

2.) Die Einschätzung, daß eine Regierung  „Opfer des Protests“ sei, wenn sie mal einen Bürgerentscheid verliert, zeigt ein katastrophales Demokratieverständnis und macht deutlich, daß der OB aus den Erfahrungen mit dem Freiburger Bürgerentscheid, der den geplanten Verkauf der Stadtbauwohnungen verhinderte, letztlich doch NICHTS gelernt hat. Einen so gestrickten Politiker sollte die Freiburger Bürgerschaft NICHT ein weiteres Mal zum OB wählen.

3.) Die Beurteilung der frühen Entwicklung der Grünen bestätigt dieses patriarchalische Demokratieverständnis. Kritik an etablierten Parteien in einem Atemzug mit dem als repressiv empfundenen Staat nur als „Protest“ zu sehen und nicht zu würdigen als ein Fundament einer funktionierenden demokratischen Ordnung ist eine völlig inakzeptable Verkürzung der demokratischen Politik. Salomon hat offenbar keinen Blick für die demokratisch erwünschte Kritik an der Politik der Exekutive und sieht darin ganz schnell „diejenigen, denen sowieso nichts passt“ und eine „destruktive Grundeinstellung“.

Er will einfach nicht zur Kenntnis nehmen daß die heutige Wahlbevölkerung die Stadtgestaltung eines Bürgermeisters, der sich in seine Sicht der Dinge möglichst nicht reinreden lassen will, immer weniger goutiert.

Ulrich Glaubitz