Reden zu ÖPNV und Anwohnerparken

Am Dienstag, dem 20. April 2021, hat FL-Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler im Gemeinderat zu den Tagesordnungspunkten Reden ÖPNV und Anwohnerparken gehalten. Da beide Themen thematisch sehr nahe beieinander liegen, möchten wir sie hier zusammen dokumentieren. Zunächst hat er zum Thema ÖPNV-Modellregion (Drucksache G-21/096) folgende Rede gehalten:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!

Die Anzahl der PKWs hat in der Region Freiburg allen Klimawandel-Warnungen zum Trotz innerhalb von 10 Jahren um 18% oder in Zahlen um 54.000 Fahrzeuge zugenommen. Alle diese neu hinzugekommenen Autos hintereinander aufgereiht entsprechen in ihrer Länge etwa der Luftlinie zwischen Freiburg und Frankfurt. Das ist mehr als erschreckend! Die Erfahrung einer zunehmenden Kfz-Dichte kann man in Freiburg auch durchaus selbst machen. Bis vor wenigen Jahren war es beispielsweise in Landwasser überhaupt kein Problem einen Parkplatz am Straßenrand zu bekommen. Das hat sich zwischenzeitlich massiv geändert. Man findet kaum noch Parkmöglichkeiten, obwohl die Einwohnerzahl Landwassers mit etwa 7.000 um etwa 2.500 niedriger liegt als 1975, als die maximale Einwohnerzahl erreicht worden war. Es ist also keineswegs nur so, dass in den Herdermer Hanglagen die Tendenz zum Zweit- oder Drittfahrzeug besteht, sondern offensichtlich in allen Stadtteilen. Hier muss dringend eine Umkehr stattfinden! Die Bewerbung als ÖPNV-Modellregion mit all den Zielsetzungen der hier vorliegenden Drucksache ist daher unbedingt zu begrüßen.

Es wird in der Drucksache jedoch im Wesentlichen auf die regionale Mobilität abgezielt. Was ich konkret vermisse ist jedoch die überregionale Einbindung, um es so auch für Touristen attraktiv zu machen, vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen. Wenn ich beispielsweise ein Kombiticket Deutsche Bahn/Intercity-Hotel für das Ruhrgebiet löse, dann kann ich mit diesem Ticket während meines gesamten Aufenthalts den dortigen ÖPNV kostenlos mitnutzen. Gilt allerdings leider nur, wenn man in den bahneigenen Intercity-Hotels absteigt. Zwar gibt es für den Schwarzwald mit der Konus-Gästekarte ein breiter aufgestelltes ähnliches System, das aber wiederum den Makel hat, dass einige Gemeinden wie Freiburg nicht mitmachen.

Unbedingt zu begrüßen wäre daher die Einführung eines weitgehend steuerfinanzierten, verpflichtenden Mobilitätspasses für alle Bewohner der Region zu einem Jahres-Einheitspreis von beispielsweise 365 €. Einen Euro pro Tag zahlen mit der Möglichkeit immer und überall den ÖPNV nutzen zu können, würde sicher für mehr Akzeptanz sorgen als eine ständig teurer werdende Regiokarte. Nicht zielführend ist ein mehrstufiges Tarifsystem, selbst wenn es noch weiter vereinfacht würde. Mehrstufige Tarifsysteme sind grundsätzlich ein Hemmnis für eine breit angelegte Akzeptanz. Beispiel: Momentan sind die Tarifbestimmungen des RVF (Regio-Verkehrs-Verbund Freiburg) auf sage und schreibe 56 Seiten festgehalten. Kein Nutzer will sich da durchkämpfen müssen. So gewinnt man keine Kunden.

Meine Damen und Herren, es ist zu hoffen, dass die in dieser Drucksache skizzierten Projektideen unabhängig von der Bundesförderung umgesetzt werden, um einen weiteren großen Pflock hin zu einer echten Verkehrswende einzuschlagen.

Außerdem hat er zu Thema Anwohnerparken (Drucksache G-21/099) folgende Rede gehalten:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!

In den 1960er und 70er Jahren hat der damalige Gemeinderat beidseitig entlang der Dreisamufer die B31 vierspurig bauen lassen und damit die Dreisam als Naherholungsgebiet in einem großen Abschnitt weitgehend unattraktiv gemacht. Gleichzeitig wurden für einen vierspurigen Ring rund um die Altstadt weitere prächtige Alleen und schöne Vorgärten vernichtet und viele stadtbildprägende Gebäude abgerissen. Und das alles, um für das damals neu erstrahlende Goldene Kalb Auto Platz zu schaffen. Aus heutiger Sicht waren das – da sind wir uns sicher in der Mehrheit einig – zwei gewaltige Fehlentscheidungen.

Innerhalb weniger Jahre hat man durch rücksichtslosen Umbau aus einer lebenswerten Stadt eine autogerechte Stadt geschaffen. Mit dieser Umwandlung der Stadt weg von Lebensqualität für die Freiburger Bürger hin zu einem autobestimmten Stadtbild haben wir uns inzwischen in gewisser Weise daran gewöhnt, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse dem Auto weitgehend unterordnen mussten.

Allerdings wird auch seit Mitte der 1980er Jahre versucht, zunächst mit der Einführung der Regiokarte, die gröbsten Negativauswirkungen dieser Autopolitik zumindest wieder abzumildern. Es ist jedoch bis heute so, dass den Autos immer noch unverhältnismäßig viel mehr Fläche für Straßen und Parkplätze zugestanden wird, als allen konkurrierenden Nutzungen. Dies führt dazu, dass es für viele der rund 70.000 Einpendler immer noch attraktiv ist, mit dem eigenen Auto in die Stadt zu fahren und Parkplätze zu belegen. Und die immense Zunahme der KFZ-Zulassungen auch in der Stadt selbst zeigt einen Trend hin zu einem Zweit-, wenn nicht sogar Drittwagen.

Es wird daher höchste Zeit, dass hier regelnd eingegriffen wird. Denn es ist leider so, dass selbst die prognostizierten katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels von vielen schlicht ignoriert werden. Das einzige Argument, das alle verstehen, ist monetärer Art. Die bisherige Gebühr von 30 €, um ganzjährig eine öffentliche Fläche von rund 8 m² nutzen zu dürfen, ist ein Witz. Natürlich erscheint eine Anhebung von 30 € im Jahr auf 30 € im Monat erst einmal unverhältnismäßig. Aber ein solcher Schritt ist längst überfällig. Man sollte sich mal klar machen, dass das knapp 1 € am Tag ist. Und objektiv betrachtet ist 1 € am Tag zur Nutzung von 8 m² öffentlicher Fläche immer noch ein super Schnäppchen.

Nein, meine Damen und Herren, wenn wir es ernst meinen mit der Verkehrswende, ist diese Erhöhung mehr als gerechtfertigt. Und wenn es in ein paar Jahren richtig ernst werden sollte mit dem Klimawandel, dann werden wir uns ärgern, dass man nicht schon viel früher dem Auto seinen Goldenen Kalb-Status entzogen hat bzw. dass man es überhaupt erst zur dieser götzengleichen Verehrung hat kommen lassen.