Rede zur Umsetzung der Forderungen des Radentscheids

Zur Umsetzung der Forderungen des Radentscheids (Drucksachen G-20/266, G-20/266.1) hat unser Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) in der Sitzung des Freiburger Gemeinderats, die am 7. und 8. Dezember 2020 über zwei Tage im Bürgerhaus Zähringen stattfand, folgende Rede gehalten.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!

Ich will mich in meiner Rede nur auf einen kleinen, positiven Aspekt der Mobilitätswende beschränken: der Zunahme der Lebensqualität bei Abnahme des motorisierten Individualverkehrs.

In meiner Kindheit zu Beginn der 1960er Jahre wohnten wir direkt am Karlsplatz in der Freiburger Innenstadt. Die Anzahl der Autos war überschaubar, wir Kinder konnten relativ unbekümmert auf den Straßen und Plätzen spielen. Heute außerhalb der Fußgängerzone, die es damals noch nicht gab, meist undenkbar! Und wir Kinder gingen alle zu Fuß in die Karlschule. Heute ist es üblich, die Kinder mit dem Auto zur Schule zu bringen, weil es wegen des Autoverkehrs zu Fuß zu gefährlich sei. Und damit sind diese Helikopter-Eltern – meist eher ungewollt – Teil des Problems.

Im Grunde sehnen sich doch die meisten Menschen zurück nach autoarmen Straßen und autofreien Plätzen mit Aufenthaltsqualität in ihrer Nachbarschaft.

Dies zeigt sich beispielsweise – nun mal sehr lokal fokussiert – seit zwei Jahren am Herdermer Kirchplatz. Zum einen hat an diesem Platz eine Eisdiele aufgemacht. Sie ist der Anziehungspunkt vor allem für Herdermer Familien mit kleinen Kindern. Um das Eis zu genießen, lassen sich viele von ihnen auf den Bänken und Treppenstufen des Kirchplatzes nieder. Aber dazu muss die sehr enge, aber vielbefahrene Sandstraße überquert werden, das Nadelöhr zwischen Süd- und Nordherdern. Immer wieder sind hier gefährliche Situationen zwischen den Platzbesuchern und dem motorisierten Verkehr zu beobachten.

Stadtrat für Freiburg Lebenswert im Gemeinderat: Dr. Wolf-Dieter Winkler

Zum zweiten finden dort einmal im Monat die Sommerlesungen des Bürgervereins Herdern statt, zu denen sich viele Menschen auf den Treppenstufen der Urbanskirche niederlassen, um Leseproben der eingeladenen Autoren zu hören. Recht störend ist dabei für die Zuhörer der Autoverkehr, insbesondere jener Autos mit lärmintensiven Motoren. [Zumal ab und an Fahrer den Motor absichtlich aufheulen lassen, um die Lesungen zu stören.]

In beiden Fällen wünschen sich viele, dass der motorisierte Verkehr weniger wäre, um die Sicherheit bei der Straßenquerung und die Aufenthaltsqualität des Kirchplatzes zu erhöhen. Nicht umsonst sind der Herdermer Hock und der Weihnachtsmarkt auf dem Herdermer Kirchplatz die Publikumsmagnete, weil für sie die Hauptstraße in diesem Bereich gesperrt wird, wodurch die Attraktivität des Platzes massiv erhöht wird.

Oder denken Sie an den Flohmarkt in der dann für Autos gesperrten Habsburgerstraße, der tausende von Menschen anzieht. Alle genießen es 1,5 km flanieren zu können, ohne auf den Verkehr achten zu müssen.

Dies sind nur willkürlich herausgegriffene Beispiele aus meiner direkten Umgebung. Sie zeigen, dass sich die Menschen von den Autos beeinträchtigt fühlen und im Grunde froh darüber wären, den Straßenraum von den Autos zurückzubekommen. Dass sich mit der neu gewonnen Freiheit der Menschen ganz nebenbei auch der Klimawandel positiv beeinflussen lässt, sei hier nur am Rande erwähnt.

Meine Damen und Herren, die Zeit ist überreif für einen Mobilitätswandel wie ihn die Aktivisten des Radentscheids fordern – und zwar für einen revolutionären Wandel, Herr Rotzinger (CDU), weil der von Ihnen gewünschte evolutionäre Wandel angesichts der drohenden Klimakatastrophe viel zu langsam wäre. 

Fahrräder sind nicht mehr nur romantische Fortbewegungsmittel, sondern nehmen eine immer wichtigere Rolle im Straßenverkehr ein! (Foto: Pixabay)