Rede zum Klimamobilitätsplan 2030

Zum Klimamobilitätsplan 2030 (Drucksache G-22/165) hat Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) am 4. Oktober 2022 im Freiburger Gemeinderat folgende Rede gehalten:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrte Damen und Herren
!

Vor zwei Wochen verbrachte ich einige Tage in Amsterdam und konnte mich von dem nahezu idealen Modal Split dieser Metropole überzeugen. Es herrscht ein gut organisiertes Chaos von Fußgängern, Radfahrern und den im Minutentakt verkehrenden Straßenbahnen. Autos? Im Vergleich zu dem viel kleineren Freiburg nahezu vernachlässigbar! Sie dürften im Amsterdamer Modal Split bereits unter 20 % liegen – Tendenz abnehmend, die Radfahrer bei rund 55 % – Tendenz zunehmend. Dies zeigt, dass man auch auf kommunaler Ebene einen guten Modal Split erreichen kann und nicht auf EU-, Bundes- und Landesvorgaben warten muss, um klimafreundliche Ergebnisse zu erzielen. Die in dem Freiburg-Szenario bis 2030 angenommene Abnahme der Kfz-Fahrleistung von 5 % im Vergleich zum Stand 2010 und von 11 % im Vergleich zum Rahmen-Szenario kann kaum als ambitioniert bezeichnet werden. Bis 2030 wird der Klimawandel dermaßen an Fahrt aufgenommen haben, dass auch ein Anteil von angenommenen 33,5 % Pkw-Fahrern am Modal Split völlig inakzeptabel sein wird. Und es muss viel mehr dafür getan werden, dass der Anteil der Radfahrer 2030 bereits doppelt so hoch sein wird, als die prognostizierten 25 %.

Und damit wäre auch ein weiterer Baustein der Stadtentwicklung, der im Klimamobilitätsplan nicht zur Sprache kommt, nach unserer Ansicht hinfällig, nämlich der Autobahn-Tunnel durch Freiburg. Ein erheblich verringerter Kfz-Verkehr könnte dann auf der Südseite der Dreisam gebündelt und die Nordseite der Dreisam den Fußgängern und Radfahrern vorbehalten werden. Da der verbliebene Kfz-Verkehr weitgehend elektrifiziert wäre, wären auch Lärm und Abgase kein Problem mehr. Der nördliche Dreisam-Boulevard wäre umgesetzt, hunderte Millionen Euro für den Stadttunnel könnten stattdessen in die Verkehrswende fließen.

Ich will zur schnelleren Reduzierung des Kfz-Verkehrs eine Frage des Fuß- und Radentscheids und des VCD aufgreifen: Wo ist das Konzept zur Vermeidung von Elterntaxis? Eltern, die meinen ihre Kinder zur Schule fahren zu müssen, tragen jeden Morgen zu einem erheblichen Teil zum Verkehrsgeschehen in Freiburg bei. Ein Fünftel der Grundschüler werden einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge mit dem Auto zur Schule gebracht. Wer davon ausgeht, das eigene Kind sei auf dem Weg zur Schule im Auto am Sichersten aufgehoben, der irrt. Im Gegenteil: Nicht unwesentlich ist die Gefahr als Mitfahrer im Auto oder beim Ein- und Aussteigen zu verunglücken. Gerade unmittelbar vor der Schule besteht durch die Vielzahl an Elterntaxis erhöhtes Unfallrisiko. Hinzu kommt, dass Kinder auf dem Rücksitz keine Erfahrung sammeln und auch kein sicheres Verhalten erlernen können. Diese Helikoptereltern erweisen ihren Kindern gleich zweimal einen Bärendienst. Zum einen behindern sie die Entwicklung ihrer Kinder zur Selbständigkeit, zum andern tragen sie mit ihren Fahrten massiv zum Klimawandel bei, dessen Folgen wiederum ihre Kinder ausbaden dürfen. Vielleicht könnten gut kontrollierte absolute Halteverbotszonen von sagen wir mal 300 m um Kitas und Schulen ein Umdenken dieser Eltern befördern und den Kfz-Anteil am Modal Split senken helfen.

Eine zweite Maßnahme wäre die noch schnellere Ausweitung von Anwohnerparkzonen, um Pendler zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen. Wieso bis 2030 nur 50 % Anwohnerparkzonen anpeilen und nicht 100 %? Die im Klimamobilitätsplan als Risiko bezeichnete Rechtsprechung wird sich auch hier dem Klimawandel anpassen müssen.

Vielleicht ist es mit solchen Maßnahmen dann sogar möglich, das inzwischen wesentlich ambitioniertere CO2-Reduktionsziel Baden-Württembergs von -55 % in 2030 gegenüber 1990 zu erreichen, statt die bisher angepeilten -40 %.

Die Lorettoschule bittet Eltern immer wieder inständig, die Kinder nicht mit dem Auto zur Schule zu bringen, leider oft vergeblich (Foto: K. U. Müller).