Rede zum Bebauungsplan Obergrün

Zum Thema „Bebauungsplan Obergrün“ (Drucksache G-20/035) hat Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) am 30. Juni 2020 im Freiburger Gemeinderat folgende Rede gehalten:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!

Ausgangspunkt der Überplanung des Gebietes Obergrün war eine Bebauung mit 26 Wohneinheiten. Mit dieser Aussage zeigten sich sowohl die Anwohner als auch der Verein „Bauernhoftiere für Stadtkinder“ einverstanden. Der Abstand von 8 bis 17 m zu dem Vereinsgelände mit seinen Ställen war ein Kompromiss, den der Verein einzugehen bereit war, wenn er im Gegenzug Bestandsschutz für seine Vereinsgebäude und seine verbliebenen Weideflächen bekäme.

Dann stellte sich heraus, dass die mit eingeplanten Flächen einer Gärtnerei gar nicht zur Verfügung stehen, also offensichtlich ohne das Einverständnis von deren Eigentümern geplant wurde. Nun würde man ja davon ausgehen, dass bei weniger Fläche die Anzahl der Häuser reduziert wird. Doch weit gefehlt! Offensichtlich ermuntert von der Akzeptanzbereitschaft des Vereins und der Anwohner wurde die Anzahl der Wohneinheiten sogar von 26 auf 35 erhöht. Leidtragender ist nun vor allem der Bauernhof-Verein, der nun weitere Flächen abgeben soll. Und die Häuser rücken nun auf nur noch 5 bis 9 m heran. Wer die Konfliktpotentiale zwischen Bauernhöfen und den von den Gerüchen und Tierlauten betroffenen Nachbarn kennt, kann sich über so eine weltfremde Planung nur wundern. In der Öffentlichkeitsbeteiligung – angeblich um die Bürgerschaft in den Planungsprozess einzubeziehen – wurde von den Anwohnern klar geäußert, dass 35 Wohneinheiten zu viel seien. Dies auch vor dem Hintergrund, dass ja das Naherholungsgebiet Obergrün mit der Bebauung der Tränkematten Süd vor wenigen Jahren bereits eine Verringerung seiner Grünflächen hinnehmen musste. Es wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass das Obergrün durch den Bau von Dietenbach, Kleinescholz, Metzgergrün und die Erweiterung der Studentensiedlung künftig viel mehr Erholungssuchende aufnehmen muss und daher eine weitere Verkleinerung seiner Fläche bedenklich sei.

Weiter sollte doch allen Ernstes in der Fahrradstadt Freiburg das gut an das Radwegenetz und den ÖPNV angeschlossene Baugebiet einen Stellplatzschlüssel von 2,0 erhalten, also jede Wohneinheit sage und schreibe zwei Stellplätze erhalten.

Und noch ein weiterer Kritikpunkt von mehreren: Während im ersten Entwurf der bisher in gerader Linie durch das Obergrün führende Fuß- und Radweg bestehen bleiben sollte, soll er nun um das Baugebiet herumgeleitet werden. Meine Damen und Herren, Wege von A nach B sollten doch möglichst kurz sein. Deswegen bauen wir doch unsere Radschnellwege. Und hier soll der Radweg nun verlängert werden und zudem an seiner südwestlichen Ecke einen gefährdungserhöhenden 90°-Winkel erhalten? Man kann nur staunen!

Aber damit nicht genug! Anstatt nun die Bedenken bezüglich der zu vielen Wohneinheiten zu berücksichtigen, wurde im Gegenteil in der letzten Fassung der Planung deren Anzahl nochmals von 35 auf 43 erhöht. Das macht einen wirklich sprachlos!

Und zum angeblichen Kompromiss mit dem Bauernhofverein: Dieser hat mir gegenüber klargestellt, dass der Kompromiss ausschließlich beinhaltet, dass man langfristige Pachtverträge für bestimmte Weiden bekäme, wenn man im Gegenzug Weiden für Kleingärten aufgebe, die im Kleinescholz im Zuge der dortigen Bebauung wegfielen. Er hätte überhaupt nichts mit der Obergrün- Bebauung zu tun. Der Verein zeigte sich mir gegenüber entsetzt über diese Vorlage, die die weitere Zerstörung des Lebensraums streng geschützter Tiere und eines wichtigen Naherholungsgebietes vorantreibe.

Auch ist der Kompromiss in meinen Augen kein Kompromiss! Hier hat man dem Bauernhof-Verein schlicht und ergreifend die Pistole auf die Brust gesetzt, damit er Flächen abtritt. Und wo in der Vorlage wird der gegebene Bestandsschutz für den Verein erwähnt, der im Grundbuch festgehalten werden soll?

Meine Damen und Herren, die Vorgehensweise bei der Aufstellung dieses Bebauungsplans ist ein Paradebeispiel für die gröbliche Missachtung der Interessen von Anwohnern, Radfahrern, Fußgängern und Erholungssuchenden. Ein solches Vorgehen befördert Politikverdrossenheit!

Daher hat die Bürgervereinsvorsitzende Beate Diezemann im Bauausschuss -neben der unterstützenswerten Forderung nach Holzbauweise – der Verwaltung und den anwesenden Stadträten wegen dieser unsäglichen Planung zu Recht Vorhaltungen gemacht. Und dann beschwert sich doch tatsächlich eine Stadträtin über den „Angriff“ von Frau Diezemann auf die Stadträte. Man hätte doch die Anregungen von allen Seiten aufgenommen! Bitte? Aus der Vorlage geht doch klar hervor, dass die Planung mehrmals ganz massiv zu Lasten der Anwohner und des Vereins und zu Gunsten des Investors verändert worden ist. Diese Vorlage kann man im Interesse des Stadtteils Betzenhausen-Bischofslinde nur ablehnen!