Rede zum Bebauungsplan Metzgergrün

Zum Bebauungsplan Metzgergrün (Drucksache G-22/063) hat Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) am 12. Juli 2022 im Freiburger Gemeinderat folgende Rede gehalten:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrte Damen und Herren
!

Fast 5 cm dick und 2 kg schwer! Der Bebauungsplan Metzgergrün ist die dickste und schwerste Wohnbau-Vorlage, die ich nach meiner Erinnerung jemals in den Händen hielt. Ein Grund für diesen Umfang ist, dass 28 Bewohner des Metzgergrüns auf 244 Seiten ihre stichhaltigen Argumente gegen den Bebauungsplan und in erster Linie gegen den Abriss des Metzgergrüns formuliert haben. Allein die sehr umfangreichen und detaillierten Einlassungen von Bürger 11, wahrscheinlich eine Bürgerin, umfassen 42 Seiten an guter Argumentation für den Erhalt des Metzgergrüns und der meist schwachen Gegenargumentation durch das Baudezernat. Ein solch hohes Engagement, um ihr Umfeld zu erhalten, zeigen nur wenige Menschen.

Mit dieser Vorlage soll, gegen den Willen nahezu aller Metzgergrün-Bewohner, beschlossen werden, 250 äußerst preisgünstige und gut erhaltene Bestandswohnungen zu vernichten, einschließlich der sie umgebenden artenreichen Gärten. Meine Damen und Herren, rechtfertigen 130 zusätzliche Wohnungen im Bereich des Bestandsgebietes, die man leicht zusätzlich in Kleineschholz errichten könnte, dass man den jetzigen Bewohnern einen sozialen und ökologischen Super-GAU und die Zerstörung gewachsener Nachbarschaften zumutet? Viele der jetzigen Bewohner werden sich die neuen, aber eben auch teureren Sozialwohnungen nicht mehr leisten können. Sie leiden seit Monaten unter massiven Existenzängsten. Auch ökologisch ist der Abriss und Neubau aufgrund der anfallenden grauen Energie in hohem Maße unsinnig. Abgesehen davon, dass Materialknappheit und gestiegene Baupreise die Bauabsichten weiter beeinträchtigen werden. Angesichts der globalen Situation wie Artensterben, Klimawandel oder Ressourcenknappheit muss endlich ein Umdenken stattfinden, Erhalt von Häusern ist das Gebot der Stunde, die Abrisskultur muss endlich ein Ende haben.

Ich will mal grundsätzlich werden. Freiburg Lebenswert (FL) ist angetreten, um hier vor Ort, in unserer Stadt lebenswerte Zustände zu erhalten bzw. zu schaffen. Dazu gehören naturgemäß auch soziale und ökologische Aspekte. Im Gegensatz zu den Parteiprogrammen der SPD, der Grünen und anderer stehen sie aber nicht als eigenständige Ziele im Programm von FL, sondern sind naturgegebene Randbedingungen, um das Ziel einer Stadt mit hoher Lebensqualität zu erreichen. Insofern irritiert es mich massiv, dass den Parteien mit programmatischer (!) sozialer und ökologischer Zielsetzung die Interessen ihrer ureigensten Klientel, nämlich der Bewohner einer grünen Sozialsiedlung, entgegen der Beteuerungen meiner Vorredner völlig am Arsch vorbeigehen, um es mal drastisch auszudrücken! Sie sind von diesen Leuten gewählt worden! Wieso also muss ich hier nahezu allein, mit leider nur teilweiser Unterstützung von ESFA (Eine-Stadt-für-Alle), die berechtigten Interessen der Metzgergrün-Bewohner vertreten?

Wer sich mit den Ängsten und Sorgen dieser oftmals vom Leben benachteiligten Menschen befasst hat, muss eigentlich schon aus emphatischen Gründen zu dem Schluss kommen, dass am Erhalt des Metzgergrüns kein Weg vorbeiführt. Was ist los mit Ihrer Empathie, die vorhin beim Bericht zur Gleichstellung der Geschlechter – im Nachhinein muss man sagen widersinnigerweise – von mehreren Rednern bemüht wurde? Was ist los mit Ihrem Einfühlungsvermögen in sozial benachteiligte Menschen? Tot, abgestorben oder was? Wenn Sie heute hier und jetzt, meine Damen und Herren, die Zerstörung des Metzgergrüns beschließen, dann sollten Sie wenigstens so konsequent und ehrlich sein und die Worte „sozial“ und „ökologisch“ aus Ihren Programmen streichen!