Rede zu drei Straßenumbenennungen

In der Sitzung des Gemeinderats am 3. März 2020 wurde auch das Thema Straßenumbenennung (Drucksachen G-19/066, G-19/067, G-19/068) behandelt. In diesem Fall handelte es sich um die Umbenennung von drei Straßen, die derzeit noch nach Hindenburg, Heidegger und Ludwig Aschoff benannt sind. Dazu hat Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) die folgende Rede gehalten, in der er seine persönliche Ansicht zu dem Thema widergibt:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!

Ich möchte mal einen Blick in die Zukunft werfen und das mit den Umbenennungen weiter fortspinnen: In 10 Jahren könnten aufgrund des Klimawandels die ersten Küstenstädte im Meer versinken. Daraufhin werden künftige Generationen die Politiker, die vor allem in den 1960er – 1970er Jahren die Städte autogerecht gestalteten, indem sie große Teile der im Krieg noch unversehrten Altstädte nachträglich zerstörten, zu Unpersonen erklären. Denn der mit fossilen Brennstoffen ermöglichte motorisierte Verkehr wird als einer der Hauptgründe des Klimawandels gelten. Das wird dann – unter vielen anderen – auch den ehemaligen ADAC-Vorsitzenden für Nordbaden und Freiburger Oberbürgermeister von 1962 – 1982, Eugen Keidel, treffen, unter dessen Amtszeit die Ringstraßen um Freiburgs Altstadt gezogen wurden. Dem Bau dieser Ringstraßen fielen große Grünflächen des Stadtgartens und des Schlossbergs, sowie viele, auch denkmalgeschützte Bauten – vor allem im Bereich des Schwabentors – zum Opfer. Man wird ihm, wie dem Medizinprofessor Paul Uhlenhuth, die Ehrenbürgerwürde Freiburgs aberkennen und das Eugen-Keidel-Bad und den Eugen-Keidel-Turm umbenennen. Übrigens war Eugen Keidel – im Gegensatz zu Paul Uhlenhuth und auch zu Ludwig Aschoff – ab 1937 Mitglied der NSDAP, also zu einem Zeitpunkt, als es für die deutschen Juden schon spürbar ungemütlich wurde.

Schauen wir noch weiter in die Zukunft: In 20 Jahren sind die großen Kirchen durch die zunehmende Entfremdung der Menschen von der Institution Kirche und auch von Gott weitgehend marginalisiert. Ihre Mitgliederzahlen liegen im einstelligen Prozentbereich. Sie haben im Gemeinderat keine nennenswerte Interessenvertretung mehr. Nun wird man sich daran erinnern, dass die katholische Kirche maßgeblich an der Kolonialisierung und damit Unterdrückung von Völkern auf anderen Kontinenten mitgewirkt hat, verantwortlich für die Hexenverbrennungen war und die Missbrauchsskandale nur widerstrebend aufgearbeitet hat. Und plötzlich sieht man auch Martin Luther mit seinen judenfeindlichen Äußerungen in einem ganz anderen Licht. Nun werden alle Namen im Kontext mit den Kirchen auf den Index gesetzt und aus dem öffentlichen Bewusstsein gestrichen.

Meine Damen und Herren, was ich mit dieser zugegeben etwas überspitzt formulierten Prognose sagen will: Diese ganze ständige Umbenennerei ist ein Vorgang ohne absehbares Ende. Sie ist zeitraubend, bringt uns Stadträten und den betroffenen Anwohnern enormen Ärger ein und kostet den Steuerzahler zudem viel Geld.

In Frankreich amüsiert man sich köstlich, dass wir in Freiburg zwei Kriegsherren von Ludwig dem Vierzehnten ehren, indem wir eine Schule, – nochmal: eine Schule! -, das Lycée Turenne, und einen Stadtteil, das Vauban, nach ihnen benannt haben. Ich erinnere daran, dass Ludwig der Vierzehnte Vauban anwies, die Stadt Freiburg zu einer modernen Festung auszubauen. Um ein freies Schussfeld zu gewinnen, ließ Vauban alles um Freiburg, was von den Dörfern und Vorstädten in den Kämpfen des Dreißigjährigen Krieges übrig geblieben war, im Jahr 1680 einebnen. Die ganze Neuburg im Norden von Freiburgs Altstadt wurde platt gemacht. Er stürzte damit unzählige Familien durch die damit einhergehende Obdachlosigkeit in Not, Elend und Verzweiflung. Und einem solchen Mann, einem Franzosen, erweisen wir die Ehre durch Benennung eines ganzen Stadtteils, während wir gleichzeitig den deutschen Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten Hindenburg aus dem Straßenraum verbannen? Wie schizophren ist das denn?

Meine Damen und Herren, Straßennamen sind Abbilder ihrer Zeit. Wir können doch unsere Geschichte nicht dadurch ungeschehen machen, indem wir die uns aus heutiger Sicht – mit dem Wissen der Nachgeborenen, wohlgemerkt! – unangenehm erscheinenden Personen aus dem Straßenraum tilgen. Und ich rede jetzt von Personen, die sich gleichzeitig auch für die Menschheit oder zumindest für ihr Vaterland verdient gemacht haben, auch wenn wir mit dem Begriff Vaterland heute nicht mehr viel anfangen können. Ihre für uns negativen Seiten können wir immer noch mit einem Zusatzschild zum Straßenschild kundtun. Wir sollten diese Dauerschleife der Umbenennungen beenden. Ich jedenfalls werde gegen die drei Umbenennungen stimmen!