18.10.2016
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich schlage ein Experiment vor. Man setze eine Grundschulklasse vor einen Freiburger Stadtplan, erläutere ihnen kurz die Legende, dass rote und graue geometrische Figuren Wohnhäuser bzw. Gewerbe- und Fabrikgebäude sind, grüne Flächen Wald und gelbe Flächen Wiesen und Äcker darstellen. Und nun sollen sie erarbeiten, wo man ihrer Meinung nach noch Häuser hin bauen könnte. Ich bin mir sicher, dass die Schüler innerhalb einer Schulstunde u.a. auch mindestens vier der fünf Flächen vorschlagen würden, für deren Identifizierung sich die Stadt teuer bezahlte Stadtplaner der sogenannten ProWo leistet.
Meine Damen und Herren, diese fünf Flächen wurden nicht aus dem Perspektivplan entwickelt, sondern sie wurden einzig und allein deswegen ausgewählt, weil sie der Stadt gehören und weil es relativ leicht ist, auf Grünflächen Wohnbau zu planen. Mittlerweile hat sich in der ganzen Stadt herumgesprochen, dass der sogenannte Perspektivplan nur dazu dient, potentielle Wohnflächen ausfindig zu machen und nicht, um eine positive Entwicklung Freiburgs zu fördern. Es wäre daher gegen über der Freiburger Bürgerschaft ehrlicher, man würde diesen Perspektivplan als das bezeichnen, was er ist, nämlich ein Bauflächen-Akquirierungsplan.
Denn was die fünf Flächen mit perspektivischer Stadtplanung – im Sinne von stadtplanerischer Verbesserung für Stadt und Bürger – zu tun haben sollen, bleibt ein Geheimnis der Verantwortlichen im Baudezernat. Wir können jedenfalls nicht erkennen, was für einen Vorteil es für die Kleingärtner im Stühlinger haben soll, wenn man ihnen ihre Gärten zubaut und ihnen – vielleicht – weit entfernte Ersatzflächen irgendwo am Stadtrand anbietet. Wir können nicht erkennen, was für einen Vorteil es für die Bürger im Stadtteil Mooswald haben könnte, dass man den Lärmschutzwall Mooswald an der Paduaallee gegen einen Betonriegel austauscht, in dem finanzschwache Haushalte nun die Funktion des Lärmschutzes übernehmen sollen. Wir können nicht erkennen, was für einen Vorteil es für die Bürger in Littenweiler und Ebnet haben soll, wenn man ihnen eines der meistfrequentierten Naherholungsgebiete der Stadt an den Dreisamauen zubaut. Wir können keinen Sinn darin erkennen, die Wendeschleife im Vauban zu bebauen, da die dortige Staudenvegetation bereits als Ausgleichsmaßnahme für den Stadtbahnbau an der Merzhauser Straße dient. Einzig bei der baulichen Entwicklung in Zähringen-Nord auf dem Gelände von MöMaxx und Real lässt sich eine städtebauliche Verbesserung erahnen. Deren riesige Parkplatzflächen sind in der Tat verschenkter Raum. Allerdings treten wir auch dort für den Erhalt der Grünflächen ein. Denn wenn dort mehrere tausend Leute neuen Wohnraum finden sollen, dann brauchen sie Grünflächen für ihre Naherholung. Außerdem ist es durchaus erstrebenswert, den Grünriegel – wie beispielsweise das Wäldchen nördlich des Real – als Abgrenzung zwischen den Gemeinden Freiburg und Gundelfingen zu erhalten.
Es überrascht, dass in der Vorlage bei einigen Flächen so getan wird, als würden die Bürgervereine hinter den Bebauungswünschen stehen. Wenn eine Bereitschaft zu Zusammenarbeit signalisiert wurde, wie im Stühlinger, in Vauban und Zähringen, dann wird dies in der Vorlage schon als weitgehende Zustimmung zu den Bebauungen umgedeutet. Die Briefe des Bürgerverein Stühlinger vom 4.10. und des Stadtteilverein Vauban vom 16.10. verwahren sich eindeutig gegen eine solche Vereinnahmung.
Am letzten Mittwoch gab es ein Gespräch zwischen den 18 Bürgervereinen und einigen Stadträten, zu dem die Arbeitsgemeinschaft Freiburger Bürgervereine eingeladen hatte. Tenor des Abends war, dass die Bürgervereine durchaus die Problematik des Mangels an bezahlbaren Wohnungen sehen und in ihren Stadtteilen bereit sind, weitere Bebauung zu akzeptieren, solange es nicht massiv zu Lasten der Bewohnerschaft geht. Es muss für die Stadtteile verträglich sein. Für großen Verdruss sorgt, dass weitgehend fertige Pläne vorgestellt werden, nur noch wenige Möglichkeiten der Einflussnahme bestehen und Änderungswünsche nicht berücksichtigt werden. Insbesondere verärgert, dass nach jeder neu ins Spiel gekommenen Fläche sofort darauf hingewiesen wird, dass aber auch mit dieser Fläche noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein wird und selbst wenn von hunderten neu hinzukommenden Wohnungen die Rede ist, auch diese immer nur als ein Tropfen auf dem heißen Stein bezeichnet werden. Wie ein BV-Vorsitzender sagte, es scheint beim Bauen nur eine Aufwärtsspirale ohne absehbares Ende zu geben. Keinerlei Verständnis wurde insbesondere für die Bebauung des Mooswaldes und der Dreisamauen aufgebracht. Offen kritisiert wurde, dass Freiburg aktiv Menschen nach Freiburg zieht und damit andere Städte und landwirtschaftliche Regionen kannibalisiert und damit die Wohnungsprobleme in Freiburg und Leerstände in anderen Gemeinden befeuert. Soweit die Äußerungen der Bürgervereine.
Meine Damen und Herren, angesichts einer übermächtigen Phalanx von Baulobbyisten in Stadtspitze, Bauverwaltung und Gemeinderat stellen sich immer mehr Menschen die bange Frage, was gerade mit ihnen und ihrer Stadt passiert. Es irritiert und ängstigt viele, dass diese gigantische Naturvernichtung in einer weitgehend grün regierten Stadt ermöglicht wird. Und immer mehr Bürger fragen sich, warum ihre Sorgen bezüglich des maßlosen Bauens keinen entsprechenden Widerhall in der Freiburger Presse findet, sondern diese einer dominanten Bauträgergemeinschaft das Wort redet, warum auch die Presse so tut, als wäre es ein unumstößliches Naturgesetz, dass gebaut werden muss.
Mit der Zustimmung unserer Fraktion wurden in den letzten zweieinhalb Jahren tausende Wohnungen neu gebaut oder zumindest auf den Weg gebracht. Für die hier in der Vorlage genannten fünf Flächen können wir nur die in Zähringen Nord in gewissem Maße mittragen. Wir lehnen eine weitere maßlose Zubetonierung Freiburgs und damit die Vorlage ab!