Haushaltsrede 2025/26

Am 8.4.2025 hat FL-Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler folgende Rede zur Haushaltsrede 2025/26 gehalten:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren
!

Ein guter städtischer Haushalt muss sich daran messen lassen, ob durch ihn die Lebensqualität für die Stadtbewohner und vor allem für künftige Generationen erhalten oder gar gesteigert wird. Für Freiburg Lebenswert (FL) war und ist es daher wichtig, Maßnahmen im sozialen, kulturellen, bildungs-, sicherheits- und umweltpolitischen Bereich zu finanzieren, die den Freiburger Bürgern zugutekommen. Ich bin erleichtert, dass einige unserer baulichen Anliegen inzwischen in der Umsetzung oder zumindest in der Umsetzungs-Planung sind, für die wir uns besonders stark gemacht hatten. Dazu zählte das Feuerwehrgerätehaus in Kappel, die Mooswaldhalle in Hochdorf, das Eisstadion, der Westflügel des Lycée Turenne und das Freibecken des Westbads. Für die letzten beiden hatten wir in den letzten Haushalten konsequent immer hohe Millionenbeträge einstellen lassen, die von einer großen Gemeinderatsmehrheit genauso konsequent immer abgelehnt wurden. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass inzwischen beim Westbad schon immer alle Fraktionen für eine Wiederinbetriebnahme des Außenbeckens gewesen sein wollen. Egal, Hauptsache es kommt jetzt! Ich hoffe, dass unsere neuen Millionen-Anliegen für die Kultur, eine Orchester-Orgel für das Konzerthaus und ein Klangraum in der Gaskugel, in einigen Jahren ebenfalls realisiert werden, nachdem die Stadt aus nicht nachvollziehbaren Gründen auf Fördergelder des Bundes für die Gaskugel verzichtet hat. Es wundert mich, dass sich die FWTM, die doch sonst mit allen möglichen Maßnahmen Touristen nach Freiburg locken will, bei der Gaskugel nicht zu Wort gemeldet hat. Dabei braucht man doch bloß nach Oberhausen zu schauen, um zu realisieren, wie der dortige ehemalige Gasspeicher ein sehr bedeutender kultureller Besucher-Magnet geworden ist.

Bisher war FL gegen Dietenbach – und inzwischen gegen ein Bauen auf der „Grünen Wiese“ generell – vor allem aus ökologischen Gründen, aber auch um die Lebensmittelversorgung aus der Region nicht noch weiter zu verschlechtern, unter anderem im Hinblick auf die Bedrohungslage durch Russland. Monetäre Gesichtspunkte spielten für uns nur eine Nebenrolle. Das hat sich nun geändert mit dem gerade vollzogenen Wechsel von einer handels- zu einer zollbasierten Wirtschaft der USA.

Jetzt kann es sich rächen, den Umbau Freiburgs zu einer Toppadresse in Gesundheitsfragen mit Hilfe amerikanischer Firmen wie Pfizer, Stryker und Intuitive Surgical zu bewerkstelligen. Das ist angesichts der momentanen amerikanischen Achterbahnpolitik für Freiburg höchst gefährlich. Ganz abgesehen davon, ging die Fokussierung auf eine einzige Industriesparte in der Vergangenheit für Städte selten gut aus. Ich hatte am Wochenende bezüglich USA ein Gespräch mit einem meiner Schwäger, einem der Chefs von Pfizer. Pfizer Freiburg liefert rund 15 – 20 % seiner Produkte in die USA. Sollten darauf Zölle erhoben werden, wird das natürlich Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn von Pfizer haben. Und niemand kann garantieren, dass der amerikanische Präsident den amerikanischen Firmen nicht die Daumenschrauben ansetzt, um sie in sein America-first-Reich heimzuholen. Egal, was passiert, jedes denkbare Szenario wird sehr wahrscheinlich massive negative Auswirkungen auf die Gewerbesteuereinnahmen Freiburgs haben.

Die Verschuldung Freiburgs beträgt im Kernhaushalt momentan 358 Mio. €, die sich bis 2028 auf 518 Mio. € erhöhen wird, und bei den Städtischen Beteiligungen und Eigenbetrieben 1207 Mio. €. Wegen der Energietransformation weg von den fossilen hin zu den regenerativen Energien wird der größte Zuschussgeber der städtischen Beteiligungen, die Badenova, aufgrund gigantischer sinnvoller Investitionen vor allem in Wärmenetze weniger Konzessionsabgaben an ihre Mitgliedskommunen ausschütten können. Gleichzeitig weist der größte Zuschussempfänger, die VAG, wegen ebenfalls hoher, aber notwendiger Investitionen in Schienennetz und Fahrzeugflotte, immer höhere Defizite aus. Damit wird auch die Verschuldung der städtischen Beteiligungen und Eigenbetriebe bedrohlich anwachsen. Erwartet wird ein Schuldenstand von 1704 Mio. € im Jahr 2028. Unter all diesen Umständen ist es doch ein enorm riskantes Unterfangen, einen Neubaustadtteil aus dem Boden stampfen zu wollen, der zusätzlich Unsummen an Geld verschlingen wird. Da stellte selbst Finanzbürgermeister Breiter beim Frühlingsempfang in Landwasser die ketzerische Frage, ob es sinnvoll ist, dass Freiburg immer weiter wächst, und damit auch seinen Charme verliert. Mit dieser Aussage hat er jedenfalls Anrecht auf eine Ehrenmitgliedschaft bei FL!

Mit den geplanten Baugebieten auf der Grünen Wiese werden wir nicht nur den Städtischen Haushalt überstrapazieren, sondern auch die angepeilte Klimaneutralität im Jahr 2035 völlig verfehlen. In einem Monat soll die Druckvorlage zur Klimaanpassungsstrategie verabschiedet werden. Man sollte meinen, ein erster Schritt dazu wäre es, naturnahe Flächen, Stadtbäume, Wälder, landwirtschaftliche Flächen zu erhalten, und die Versiegelungs-Planungen des Baudezernats entsprechend anzupassen. Und erst im zweiten Schritt über Pläne des Umweltdezernats wie Entsiegelung, Fassadenbegrünung, Baumpflanzungen, Trinkbrunnen etc. nachzudenken. Doch die Druckvorlagen des Baudezernats weisen weiterhin großflächig Baugebiete aus, wodurch sie den Zielen des Umweltdezernats diametral widersprechen. Und doch werden beider Vorlagen vom Gemeinderat verabschiedet. Man hat den Eindruck, viele Freiburger Entscheidungsträger beamen sich bei Druckvorlagen des Baudezernats gedanklich in ein Paralleluniversum, bei dem Bauwachstum wie in den 60er/70er Jahren möglich scheint und Klimawandel und Artenschwund unbekannte Substantive sind. Meine Damen und Herren, im Realuniversum droht die planetarische Apokalypse für Mensch, Tier und Pflanze! Die düsteren Zukunftsaussichten in den Entscheidungen verantwortungsbewusst im Sinne nachkommender Generationen zu berücksichtigen, ist unsere Aufgabe! Dazu gehört auch, aus den großen Bedrohungen durch Autokraten in immer mehr Ländern dieser Erde zeitnah kommunal-politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Ein erster wichtiger Schritt wäre, endlich dem Bauwahn mit seinen ökologischen und finanziellen nachteiligen Auswirkungen abzuschwören!

Aber es ist mir klar, dass ich da ein einsamer Rufer in der Wüste bin. Ich jedenfalls will mir nicht von späteren Generationen vorwerfen lassen, ich hätte ihre Interessen ausgeblendet. Da der vorliegende Haushaltsentwurf Auswirkungen des krankhaften Bauens wieder weitgehend ignoriert, werde ich ihn wieder ablehnen!

Mit solchen Bauten wird Freiburg unweigerlich seinen Charme verlieren. Leider bekommen wir fast nichts anderes zu Gesicht…