Gentrifizierung durch das Finanzamt

Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung (SZ) zeigt an einem Beispiel in München, wie das Finanzamt private Immobilienbesitzer dazu zwingen kann, Mieten zu erhöhen, obwohl diese das gar nicht wollen. „Gut und bezahlbar sollen seine Mieter wohnen“, findet ein Münchner Immobilienbesitzer. Das sei aber schwer, weil das Steuerrecht „soziale Vermieter bestraft und zum Abzocken treibt“, so die Aussage in dem sehr interessanten Beitrag der SZ vom 4. November 2018.

Erbschafts- und Schenkungssteuer können den Erben bzw. Beschenkten den Erhalt der Immobilien – zumal wenn sie bezahlbare Mieten verlangen – das Leben schwer machen und gar den Bestand ihrer Immobilie gefährden. Zumal wenn Eltern ihren Kindern die Immobilie vorab schenken möchten. „Die Erbschaftssteuer berechnet das Finanzamt anhand des Bodenrichtwerts des Grundstückes (…). Die Schenkungssteuer hingegen richtet sich nach den Mieten – aber nicht nach den tatsächlich erzielten, sondern nach den potenziell erzielbaren, nach dem Mietspiegel also. Jenem Mietspiegel, in den nur Neumieten aus den vergangenen vier Jahren einfließen und der dadurch vielmehr ein Mieterhöhungsspiegel ist. Das Finanzamt rechnet auch mit ein, dass der Dachboden ausbaubar wäre. Es betrachtet das Wertsteigerungspotenzial der Immobilie; es behandelt den Eigentümer, als würde er verkaufen wollen.“ (SZ)

Dies ist kontraproduktiv und gefährlich. Der Staat verschärft damit selbst die Probleme auf dem Immobilienmarkt, obwohl Politiker immerfort das Gegenteil behaupten und bewirken möchten. „Staatlich geförderte Gentrifizierung“ nennt das der frühere Münchner Stadtrat, Georg Kronawitter (CSU; nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen früheren Münchner OB). Er bezeichnet dies als „eine klare Folge einer Steuergesetzgebung, die nicht auf die Lage in den Wohnungsbrennpunkten eingeht“.

Die Münchner Fachanwältin Agnes Fischl, spezialisiert auf Erbrecht und Expertin für die steuerliche Bewertung von Immobilien, meint, es gebe ganz viele Erben von Immobilien, die die Miete gar nicht erhöhen wollen. Dass das Haus im Familienbesitz bleibt, sei vielen weitaus wichtiger. Sie – so die SZ – „will nicht die Erbschaftssteuer abschaffen. Stattdessen schlägt sie vor, Mietshäuser ähnlich zu betrachten wie Unternehmen. Letztere sind von der Erbschaftssteuer befreit, wenn die Erben das Unternehmen weiterführen und somit Arbeitsplätze erhalten. Darüber sollte die Politik auch bei Mietshäusern nachdenken, fordert Fischl, etwa verbunden mit der Auflage an private Eigentümer, bestehende Mieten für einen gewissen Zeitraum unangetastet zu lassen.“

Siehe den Artikel in der SZ: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/steuer-erbrecht-immobilien-mieten-1.4194852

FL-Plakat aus dem Jahr 2014 (mit „Modernisierung“ ist hier eine umfassende, luxuröse und teuere Grunderneuerung gemeint.)