Enteignung durch Erbpacht

Der Gemeinderat hat beschlossen keine städtischen Grundstücke mehr zu verkaufen – allerdings einschließlich Erbpachtgrundstücke, was für viele kleine Grundstücke, auf die Sparer vor vielen Jahren ein Häuschen gebaut haben, den Verkauf des Hauses, mit inzwischen sehr hoher Erbpacht, unmöglich gemacht hat. Das Grundstück von der Stadt erwerben können sie jetzt auch nicht mehr. Das ist praktisch eine Enteignung, da das Haus ohne Grundstück jetzt gar nichts mehr wert ist.

Dieses Dilemma wird in dem Beitrag von SWR Aktuell (BW) um 19.30 Uhr vom 5. Dezember 2019 sehr gut gezeigt, in dem auch unsere Stadträtin Gerlinde Schrempp (FL) zu Wort kommt. Sie hat sich, wie kaum ein anderer im Gemeinderat, mit dem Thema beschäftigt und viele Gespräche mit Betroffenen geführt.

Siehe dazu in der SWR-Sendung Aktuell (ab Minute 20:10!):
https://www.ardmediathek.de/swr/player/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzExODAwODc/sendung-19-30-uhr-vom-5-12-2019

Stadträtin Gerlinde Schrempp (FL) bei SWR AKTUELL BW am 05.12.2019

Es mag ja Leute geben, die sich einen Sprung von 1400 Euro im Jahr (!) auf 2000 Euro pro Monat (!) – so ein konkreter Fall in Freiburg-Landwasser (in anderen Stadtteilen ist die Quote noch viel höher) – ja noch leisten können. Aber viele, die sich auf die Bedingungen, unter denen der Vertrag vor vielen Jahren einmal abgeschlossen wurde, verlassen haben, können das nun nicht mehr. Zumal wenn das Haus nun unverkäuflich geworden ist – trotz Wohnungsnot und Mangel an Immobilien in Freiburg!

Siehe dazu: https://freiburg-lebenswert.de/das-erbpachtdrama-in-freiburg/

Auch wenn die Verträge selbst nicht geändert wurden, es geht hier um die politische Sinnhaftigkeit. Denn nicht alles, was rechtlich geht, macht auch gesellschaftlich und moralisch Sinn. Zumal dann nicht, wenn es dem Vertragssinn völlig zuwider läuft. Die Vertragsvoraussetzungen im Nachhinein derart zu ändern, dazu ist der „öffentliche Eigentümer“ jedenfalls in keiner Weise „verpflichtet“, wie immer wieder argumentiert wird – im Gegenteil. Denn ursprünglich war dieses Modell ja einmal dafür gedacht, finanzschwächeren Familien die Chance auf ein eigenes Häuschen zu geben. Dieser Zweck dreht sich aber nun ins Gegenteil um.

Die Preissteigerungen ergeben sich durch die heute zugrunde gelegten Bodenrichtwerte. Sie haben in Freiburg zu den enormen Sprüngen geführt. Das wäre alles noch machbar, wenn die Eigentümer oder Erben (die das nicht stemmen können) das Haus wenigstens verkaufen könnten. Es ist aber unverkäuflich geworden, denn wer zahlt für ein nicht allzu großes Haus viel Geld und dann noch eine so hohe monatliche Erbpacht?!

Einziger Ausweg wäre der Erwerb des Grundstücks, um dann beides als Einheit weiterverkaufen zu können (nach 10 Jahren sogar ohne Spekulationsfrist); aber der Weg ist durch die Entscheidung des Gemeinderats jetzt zunichte gemacht worden. D.h. dass die neue Erbpacht viele Menschen in den Ruin treiben wird. Der Stadt fällt dann das Haus des Schuldners einfach so zu. Kein Wunder, dass das als Enteignung wahrgenommen wird und dass die Stadt nicht mehr als Institution wahrgenommen wird, die sich um das Wohl ihrer Bürger sorgt, sondern als ein übler Spekulant, der sich an der Not seiner Bürger noch bereichert…

Freiburg Lebenswert (FL) kämpft vehement gegen diese Neuregelung, die im Oktober 2018 auf Antrag von B90/Die Grünen, SPD, UL und JPG (UL und JPG sind heute in den Fraktionsgemeinschaften „Freiburg für alle“ und JUPI zu finden) mit knapper Mehrheit zustande kam. Bisher leider ohne Erfolg. Genauso argumentiert auch Finanzbürgermeister Breiter, der im SWR öffentlich die „mangelnde Verlässlichkeit der Stadt“ beklagt.

Breit gestreut sind die Erbpacht-Grundstücke in Freiburg, mit Schwerpunkten in den Stadtteilen Landwasser, Mooswald, Weingarten, Haslach, Herdern und Littenweiler.