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Rückhaltebecken im Bohrertal

Es ist schon erstaunlich, mit welchen Begründungen seitens des Baudezernats versucht wird, den Bau des Hochwasserdamms im Bohrertal vom Bau eines Stadtteils Dietenbach zu entkoppeln. Obwohl frühe immer klar festgestellt wurde, dass einem Beginn der Gewässerausbauarbeiten am Dietenbach erst nach Inbetriebnahme der Hochwasserrückhaltebecken Bohrertal und Breitmatte zugestimmt werden kann, sollen jetzt auf einmal Dietenbach und Rückhaltebecken keinesfalls etwas miteinander zu tun haben? Selbstverständlich wird der Hochwasserdamm im Bohrertal ausschließlich für Dietenbach benötigt! Dass die Wiehre und angrenzende Stadtteile dann auch noch vor Hochwasser geschützt wären, ist allenfalls ein willkommener Kollateralnutzen. Bisher hat die dortige Überschwemmungsgefahr das Baudezernat über lange Zeit offensichtlich nur unwesentlich beeindruckt. Ganz im Gegenteil wurden noch vor wenigen Jahrzehnten Baugenehmigungen unmittelbar am Hölderlebach erteilt – wie beispielsweise am Roßhaldeweg.

Das Dietenbachgelände liegt in einem festgesetzten
Überschwemmungsgebiet, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in
100 Jahren zu erwarten ist (HQ 100) nach § 65 Wassergesetz Baden-Württemberg
(WG). Nach § 76 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sind Überschwemmungsgebiete
Gebiete, die bei Hochwasser eines oberirdischen Gewässers überschwemmt oder
durchflossen oder die für Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht
werden. Überschwemmungsgebiete im Sinne dieses Paragrafen sind in ihrer
Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten. In einem Überschwemmungsgebiet
besteht grundsätzlich ein Bauverbot nach § 78 WHG. In § 77 WHG wird sogar noch
ein Schritt weitergegangen, indem gefordert wird, dass frühere
Überschwemmungsgebiete, die als Rückhalteflächen geeignet sind, so weit wie
möglich wiederherzustellen sind. In Green-City geht man paradoxerweise den
umgekehrten Weg! Man will einen neuen Stadtteil in einem Überschwemmungsgebiet
bauen! Der Bau des neuen Stadtteils auf einer HQ100-Überschwemmungsfläche in
der Dietenbachniederung ist nach § 78 WHG aber nur möglich, wenn die
Hochwasserrückhaltung nicht beeinträchtigt und der Verlust von verloren
gehendem Rückhalteraum umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird.
Durch den beantragten Bau des Hochwasserrückhaltebeckens im Bohrertal auf
Gemarkung Horben soll diese Kompensation realisiert werden.

Das Becken im Bohrertal soll also nicht, wie von der
Stadtverwaltung dargestellt, dem Hochwasserschutz von Günterstal, Wiehre oder
Haslach dienen, sondern soll einzig und allein das Bauverbot im
Überschwemmungsgebiet der Dietenbach-Niederung umgehen. Ohne die vorliegende
Funktion dieser Hochwasserschutz-Bauwerke ist Dietenbach nicht
genehmigungsfähig. Ohne den Planfeststellungsbeschluss für Horben kann
Dietenbach nicht wie geplant bebaut werden, weil die Gewässer-Ausbaubreite des
Dietenbachs auf das 2-3fache hochgesetzt werden müsste und sich dann dauerhaft
die bebaubare Fläche um mehrere ha verringern würde.

Der Bau eines 280 m langen und über 13 m hohen Dammes
im Bohrertal, aber auch der Ausbau der Breitmatte erfordern umfangreiche
Erdbewegungen durch Bagger, Planierraupen und LKW, alle mit Dieselmotoren
ausgerüstet. Eine gigantische Menge an Transportfahrten und Erdbewegungen sind für
die bis zu 3 m hohe Aufschüttung des Dietenbachgeländes zu prognostizieren. Die
Folgen des durch CO2 verursachten Klimawandels sollen also durch weiteres
massenhaftes Ausstoßen von CO2 verringert werden? Wie verquer ist das denn? Und
es ist moralisch schon seltsam, wenn seitens der Stadt so getan wird, als hätte
man die Rückendeckung der Umweltverbände für ein solches Vorgehen. Da diese
sich gegen Dietenbach positioniert haben, ist es ja wohl nur logisch, dass sie
sich auch gegen die landschaftszerstörenden Rückhaltebecken aussprechen.

Das Regen-Einzugsgebiet des Hölderlebaches ist ja
überschaubar. Es handelt sich um das recht kleine, nur ca. 18 km² große Gebiet
der nordwestlichen Schauinslandhänge. Dieses Gebiet ist nahezu komplett
unversiegelt und kann daher von vornherein schon mal große Wassermassen fassen
und zurückhalten. Und es ist ja keineswegs so, dass für die Stadtteile am
Hölderlebach nichts gegen trotzdem noch mögliches Hochwasser unternommen worden
sei. Ganz im Gegenteil ist die Breitmatte vor einigen Jahren als großes
Regenrückhaltebecken ausgebaut worden und kann damit ebenfalls enorme
Wassermassen zurückhalten. Zum Schutz von Günterstal würde die Entschärfung der
beiden Engstellen an der Hirsch-Brücke und beim Stadttor viel Gefahrenpotential
vermindern. Würde man dann noch dem Vorschlag des ehemaligen Leiters des Amtes
für Stadtentwässerung, Jürgen Bolder, folgen und die Wonnhalde-Kleingärten als
potentielle Überflutungsfläche nutzen, dann wären in unseren Augen die Stadtteile
Wiehre, Haslach usw. wirksam geschützt.