Bezahlbar Wohnen mit Alternativen zum Bauen auf der grünen Wiese

Zum Thema Bezahlbar Wohnen 2030 und Wohnungstauschbörse (Drucksache G-20/134 und G-20/123) hat Stadtrat Dr. Wolf-Dieter Winkler (FL) am 10. November 2020 im Freiburger Gemeinderat folgende Rede gehalten:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!

Im Zusammenhang mit dem Bürgerentscheid zu Dietenbach wurden von den Gegnern der Bebauung, darunter neben den Umweltorganisationen auch von Freiburg Lebenswert, immer wieder vorgebracht, dass man die Bereitstellung von Wohnraum angesichts der globalen Umweltprobleme wie Artenschwund, Klimawandel, Vernichtung landwirtschaftlicher Flächen nicht länger mit dem Bauen auf der grünen Wiese lösen sollte. Viele Alternativvorschläge wurden gemacht wie Dachgeschossausbau, Überbauung von Parkplätzen, Erstellen eines Leerstandskatasters, Sanktionierung von Zweckentfremdung, Wohnen für Hilfe, Aufbau einer Wohnungstauschbörse und vieles mehr. Insofern freut es uns, dass nun auch die Verwaltung mit dem Referat für bezahlbares Wohnen diese Vorschläge aufgreift.

Allerdings bedeuten zugegebenermaßen viele dieser alternativen Vorschläge einen erhöhten Aufwand bzw. scheitern mal mehr, mal weniger an der Rechtslage. Ich will einen Aspekt herausgreifen – den Leerstand von Wohnungen. Aufgrund der weltweiten Niedrigzinsen weichen die Anleger ins Betongold als Geldanlage aus. Käufer von Neubau-Wohnungen, viele aus der Schweiz oder Russland, kaufen die Wohnungen hier in Freiburg meist aus Spekulationsgründen. Sie haben in diesem Fall überhaupt kein Interesse an einer Vermietung. Denn wenn sie die Wohnungen vermieten würden, würden die Wohnungen zum einen durch die Mieter abgewohnt, d.h. sie würden an Wert verlieren. Zum andern ließen sich die Wohnungen im Falle des Weiterverkaufs besser verkaufen, wenn sie frei von Mietern sind. Um eine Bewohnung vorzutäuschen, kommen die Käufer vielleicht ein oder zweimal im Jahr für ein paar Tage vorbei. Und das ist das Problem. Damit hat die Stadt keine Handhabe, um gegen diesen Leerstand vorzugehen. Solange der Gesetzgeber solches Handeln zulässt, werden wir des Leerstandes nicht Herr werden können. Aufgrund dieser Verschleierungsmöglichkeit gehe ich auch von einem weit höheren Leerstand aus als den hier angegebenen 500 Wohnungen. Ich könnte Ihnen allein zig Wohnungen in meinem Herdermer Umfeld benennen, bei denen genau diese Problematik vorherrscht.

Ich möchte einen weiteren Aspekt herausgreifen und das ist der Wohnungstausch, bei denen Senioren bei einem Wunsch nach einem Tausch ihrer Wohnungen unterstützt werden können, ihre zu großen Wohnungen für Familien frei zu machen. Es ist ja löblich, dass die Stadt eine digitale Wohnungstauschbörse installieren möchte. Aber glauben Sie allen Ernstes, dass sie damit die heutigen 80jährigen erreichen? Diese Generation fremdelt mit den digitalen Medien. Das wird sicher in 20, 30 Jahren anders sein, wenn die heutigen, der Digitalisierung gegenüber aufgeschlossenen 50- oder 60jährigen dieses Alter erreicht haben werden. Aber bis dahin wird man nicht umhin kommen, andere, zeitraubende Formen der Kontaktaufnahme bevorzugen zu müssen.

Diese beiden Beispiele zeigen, dass man bei der Umsetzung von Alternativen zum Bauen auf der grünen Wiese gegen rechtliche Hürden ankämpfen muss oder nur mit erheblichem Mehraufwand zum Erfolg kommt. Aber es lohnt sich. Jede Vermeidung weiterer Zersiedelung ist ein Plus für die Ökologie.

Meine Damen und Herren, was diese Vorlage in diesem Zusammenhang aber auch in erschreckender Offenheit zeigt, ist, dass immer noch ein Denken vorherrscht, ein Wachstum wie bisher, gerade beim Bauen, sei ohne gravierende Folgen für unseren Planeten und damit die Menschheit weiterhin möglich. So wird auch in dieser Vorlage „Bezahlbar Wohnen 2030“ die Schaffung neuer Baugebiete als Voraussetzung für die Wirksamkeit all der Maßnahmen gesehen, die hier aufgeführt sind. Und das wird als alternativlos angesehen. Wohlgemerkt bei uns, in einer Stadt, in der mehrheitlich, zumindest prinzipiell, die Problematik der ökologischen Auswirkungen unseres Tuns verinnerlicht ist. Das ist äußerst deprimierend!

Durch Dachgeschossausbau in Altbauten kann enorm viel – zu einem großen Teil auch bezahlbarer – Wohnraum geschaffen werden. (Foto: M. Managò)